Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 14.04.1997; Aktenzeichen 1 O 73/97) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 14. April 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Bedürftigkeit des Klägers an das Landgericht zurückverwiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung, nämlich die Geltendmachung eines Zahlungsanspruches aus § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. Ziff. 1 der Versicherungsbedingungen für den Güternah- und Kleingutverkehr (GA 97), nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.
1. Es steht zur Zeit nicht fest, daß für die beiden Lastkraftwagen des Klägers mit den amtlichen Kennzeichen … und … die unstreitig zwischen dem 25. und 26. Februar 1995 in E. gestohlen worden sind, zum Zeitpunkt der Entwendung kein Versicherungsschutz bestand.
Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, daß sie den Versicherungsschutz für die genannten Lastkraftwagen nicht schriftlich bestätigt hat. Ausweislich der von der Beklagten verwendeten Versicherungsscheine sind Erweiterungen oder Änderungen des Versicherungsverhältnisses nur wirksam, wenn die Generaldirektion der Beklagten sie schriftlich genehmigt. Eine derartige Regelung enthält auch der Versicherungsschein vom 8. Oktober 1992 (GA 93), den der Kläger erhalten hat.
Der Kläger behauptet indes unter Beweisantritt, er habe dem Zeugen H. sofort nach der Zulassung der beiden Fahrzeuge am 25. Januar 1995 die Kennzeichen der LKW mitgeteilt und ihn gebeten, die Umschreibung der Transportversicherung zu veranlassen. Der Zeuge habe ihm gegenüber bestätigt, daß durch die Mitteilung der Kennzeichen der Versicherungsschutz von den abgemeldeten Fahrzeugen auf die nunmehr zugelassenen Lastkraftwagen übergehe (GA 104).
Nach der Klarstellung des Vertrages durch den Kläger (GA 103) ist unstreitig, daß die Firma C. GmbH & Co. KG, für die der Zeuge H. tätig war, nicht Maklerin, sondern Mehrfachvertreterin im Sinne des § 84 HGB ist. Dies hat die Beklagte bestätigt (GA 108). Damit sind sowohl die Firma C. GmbH & Co. KG als auch der Zeuge H. als Versicherungsagenten anzusehen. Wenn ein Agent oder dessen Angestellte Aufklärung über vertragswesentliche Punkte geben, so darf der Versicherungsnehmer grundsätzlich darauf vertrauen; falsche Auskünfte eines Agenten können die Haftung des Versicherers begründen (vgl. BGH VersR 1983, 121, 122). Der Versicherungsvertrag wird im Sinne der für den Versicherungsnehmer günstigen Aufklärung umgestaltet (vgl. hierzu OLG Hamm VersR 1987, 351, 352 und Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl. 1992, § 43 Anm. 7 A).
Ein erhebliches Eigenverschulden des Klägers; das die Haftung der Beklagten ausschließt, ist nicht gegeben. Zwar ist davon auszugehen, daß ein Versicherungsnehmer sich auf eine unrichtige Auskunft eines Agenten nicht verlassen darf, wenn dessen Erklärung den in schriftlicher Form vorliegenden klaren Versicherungsbedingungen widerspricht (Kollhosser in Prölss/Martin, a.a.O., Anm. 7 A a). Vorliegend durfte der Kläger trotz des schon zitierten Zusatzes in den Versicherungsscheinen auf die Richtigkeit der von ihm behaupteten Erklärung des Zeugen H. vertrauen. Die Begründung des Versicherungsschutzes für zwei neu zugelassene Lastkraftwagen, die der Kläger für zwei zuvor bereits versicherte Fahrzeuge angeschafft hatte, stellte sich für den Kläger als reine Formalität dar, die das Versicherungsverhältnis grundsätzlich nicht berührte. Diese Fallgestaltung ist von der Zusicherung vorläufiger Deckung bei Neuabschluß eines Versicherungsvertrages zu unterscheiden. Daß mit der behaupteten bloßen Änderung eine Gefahrerhöhung verbunden war, trägt die Beklagte nicht vor und ist auch nicht ersichtlich. Die Höchsthaftungsgrenze sollte 100.000,00 DM betragen (GA 17). Diese Summe war bereits für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … vereinbart (GA 94).
Schließlich kommt hinzu, daß der Kläger den Zeugen H. als Fachmann hinzugezogen hatte. Ein erhebliches Eigenverschulden kann dann nicht bejaht werden, wenn zur Vermeidung einer Gefahr ein Fachmann eigens hinzugezogen wird und ein mögliches Verschulden des Versicherungsnehmers nur darin liegen kann, daß er bei genügender Sorgfalt eine falsche Auskunft hätte erkennen können (vgl. BGH VersR 1995, 336, 338).
2. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat und die Beklagte gemäß § 61 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung freigeworden ist.
Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und wenn einfachste naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten (OLG Düsseldorf VersR 1992, 1086, 1087; JMBl. NW 1997, 78...