Leitsatz
Ein Vertrag über die Erbringung von Ver- und Entsorgungsleistungen für ein Grundstück kommt dann nicht durch Annahme einer sog. Realofferte mit dem Grundstückseigentümer zustande, wenn das Versorgungsunternehmen diese Leistungen gegenüber einem Dritten (hier: Grundstücksnutzer) aufgrund eines mit diesem bestehenden Vertrags erbringt (st. Rspr., zuletzt Senatsbeschluss v. 15.1.2008, VIII ZR 351/06, WuM 2008, 139). Dafür ist es ohne Bedeutung, ob der mit dem Dritten bestehende Vertrag ausdrücklich oder konkludent geschlossen ist.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 433 Abs. 2, 556, 631 Abs. 1
Kommentar
Zwischen einem Grundstückseigentümer und einer GmbH bestand ein Mietvertrag über ein Grundstück, das von den Berliner Wasserbetrieben mit Wasser versorgt wurde. Die Wasserbetriebe haben die Wasser- und Abwasserrechnungen jeweils an die GmbH versandt. Diese hat die Rechnungen auch bezahlt. Der Grundstückseigentümer hat das Grundstück im Jahr 2001 veräußert. Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahr 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Wasserrechnungen für die Zeit von Dezember 2004 bis September 2005 in Höhe von ca. 80.000 EUR konnte die GmbH nicht mehr bezahlen. Wegen dieser Rechnungen haben die Wasserbetriebe den Erwerber des Grundstücks in Anspruch genommen.
Der BGH stellt klar, dass der Erwerber und nunmehrige Eigentümer des Grundstücks nicht haftet: Im Allgemeinen wird der Vertrag über die Ver- und Entsorgung eines Grundstücks mit Wasser zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Grundstückseigentümer geschlossen. Denkbar ist aber auch, dass der Vertrag nicht mit dem Grundstückseigentümer, sondern mit dem Nutzer eines Grundstücks, etwa einem Mieter, abgeschlossen wird. Für den Vertragsschluss reicht es in beiden Fällen aus, dass der Eigentümer oder Nutzer Wasser entnimmt. In einem solchen Fall gilt die Bereitstellung des Wassers als Angebot zum Vertragsschluss (sog. Realofferte) und die Entnahme als Annahme. Ist ein Vertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Versorgungsbetrieb zustande gekommen, so ist für die Annahme eines (weiteren) Vertrags mit dem Nutzer kein Raum.
Umgekehrt gilt dasselbe. Besteht ein Vertragsverhältnis mit dem Nutzer, so scheidet die Annahme eines (weiteren) Vertrags mit dem Grundstückseigentümer aus. Dies führt zu der Frage, wer Vertragspartner des Versorgungsunternehmens wird, wenn auf einem vermieteten Grundstück Wasser entnommen wird, ohne dass zuvor ein Liefervertrag abgeschlossen wird. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, dass der Vertrag in diesem Fall stets mit dem Grundstückseigentümer zustande kommt.
Der BGH differenziert. Zwar ist die Wasserentnahme im Zweifel dem Grundstückseigentümer zuzurechnen, weil die Abschluss- und Versorgungspflicht nur gegenüber diesem, nicht gegenüber dem Nutzer besteht. Diese Vermutung gilt jedoch dann nicht, "wenn gegenläufige Auslegungsgesichtspunkte vorliegen, die unübersehbar in eine andere Richtung weisen". Es ist nicht erforderlich, dass der Vertrag mit dem Nutzer ausdrücklich geschlossen wird. Ein konkludenter Vertragsschluss genügt. Hiervon ist auszugehen, wenn das Versorgungsunternehmen den Nutzer als Kunden behandelt und dieser sich wie ein Kunde verhält. Die Versendung der Rechnungen an den Nutzer und die Bezahlung durch den Nutzer reicht hierzu in der Regel aus. Zwar ist denkbar, dass der Nutzer lediglich Rechnungsempfänger für den Grundstückseigentümer sein soll. Dies muss aber irgendwie zum Ausdruck kommen.
Die hier dargestellte Rechtslage gilt auch für die Lieferung von Elektrizität, Gas oder Fernwärme.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 10.12.2008, VIII ZR 293/07BGH, Urteil v. 10.12.2008, VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913