Leitsatz

In der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es verschiedene Arten von Entgeltpunkten insbesondere auf angleichungsdynamischen Anrechten beruhende (sog. Ost-) und auf nichtangleichungsdynamischen Anrechten beruhende (sog. West-) Entgeltpunkte. Der BGH hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, wie bei Anwendung der Bagatellgrenze des § 18 VersAusglG zwischen den einzelnen Entgeltpunkten zu differenzieren ist.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über den Versorgungsausgleich.

Auf den am 13.10.2009 zugestellten Antrag hat das AG mit Beschluss vom 17.3.2010 die am 23.7.2004 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Beide Eheleute hatten während der Ehezeit ausschließlich jeweils ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Das AG hat den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es - bezogen auf den 30.9.2009 als Ende der Ehezeit - zu Lasten des Anrechts des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der internen Teilung 2,2579 Entgeltpunkt auf das Konto der Ehefrau übertragen und nach § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG von einem Ausgleich des Anrechts der Ehefrau in Höhe eines Ehezeitanteils von 0,6188 Entgeltpunkten abgesehen hatte.

Hiergegen wandte sich der Ehemann mit der Beschwerde und begehrte den Ausgleich auch der Anwartschaft der Ehefrau. Sein Rechtsmittel wurde zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich seine vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abänderung des Beschlusses des Familiengerichts.

Der BGH führte zunächst aus, dass die maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung i.S.d. § 5 Abs. 1 VersAusglG die Entgeltpunkte (also kein Rentenbetrag) seien, so dass ein "anderer Fall" i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusglG vorliege und der korrespondierende Kapitalwert für die Bestimmung der Bagatellgrenze heranzuziehen sei.

Für die Prüfung innerhalb des § 18 VersAusglG sei die im Gesetz vorgegebene Reihenfolge zu beachten. Zunächst sei zu prüfen, ob bei beiderseitigen Anrechten gleicher Art die Differenz der Ausgleichswerte gering sei i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Ergebe sich daraus kein Ausschluss des Ausgleichs dieser gleichartigen Anrechte, finde § 18 Abs. 2 VersAusglG auf diese gleichartigen Rechte keine Anwendung. Anrechte in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung und in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung (Ost) seien daher keine Anrechte gleicher Art i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Dies gelte nur für Anrechte in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung zueinander.

Nach Maßgabe dessen sei § 18 Abs. 2 VersAusglG grundsätzlich auch auf einzelne Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar. Sofern diese Vorschrift dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffne, einzelne Anrechte, die einen geringen Ausgleichswert aufwiesen, nicht auszugleichen, müsse der Gesetzeszweck besonders beachtet werden. Es solle vornehmlich ein hoher Verwaltungsaufwand für den Versorgungsträger vermieden werden, der durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters verursacht werde und im Hinblick auf geringwertige Anrechte unverhältnismäßig hoch sei.

In der gesetzlichen Rentenversicherung entstehe neben dem einmaligen Verwaltungsvorgang der Teilung dieses Anrechts kein weiterer erheblicher Verwaltungsaufwand. Der Ausschluss von Bagatellrechten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung finde aber seine Grenzen in einer unverhältnismäßigen Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes. Deshalb dürfe von einem Ausgleich nur bei besonderer Rechtfertigung abgesehen werden.

 

Hinweis

Diese Entscheidung ist für jeden Praktiker unbedingt lesenswert und stellt in einem der umstrittensten Bereiche des neuen Versorgungsausgleichsrechts klare Weichen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 30.11.2011, XII ZB 328/10

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