Leitsatz
Eine lange Trennungsdauer führt nicht notwendig dazu, dass der Versorgungsausgleich im Hinblick auf die nach der Trennung erworbenen Anteile von Anrechten unbillig ist. Das OLG Hamm hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Kürzung des Versorgungsausgleichs in Betracht kommt, wenn die Trennungszeit ein Viertel der Ehezeit ausmacht.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Dezember 1976 geheiratet. Aus ihrer Ehe war eine inzwischen volljährige Tochter hervorgegangen. Der Antragsgegner war während der Ehezeit als Kriminalbeamter tätig und seit dem 1.6.2009 im Ruhestand. Die Antragstellerin war selbständige Fotografin und betrieb ein eigenes Fotogeschäft.
Im Februar 2001 erfolgte die Trennung der Parteien. Am 21.6.2001 schlossen sie einen notariellen Ehe- und Erbverzichtsvertrag, in welchem Gütertrennung und gegenseitiger Erbverzicht vereinbart und der Hausrat geteilt wurde. Zugleich übertrug der Antragsgegner der Antragstellerin sein Alleineigentum an dem von den Parteien zuletzt gemeinsam bewohnten Mehrfamilienhaus mit Ladenlokal, in welchem die Antragstellerin seither allein wohnte und ihr Fotogeschäft betrieb. Die Übertragung erfolgte gegen Übernahme der hierauf liegenden Belastungen. Regelungen zum Unterhalt oder Versorgungsausgleich wurden nicht getroffen.
In der Folgezeit machte die Antragstellerin zunächst keinen Trennungsunterhalt gegen den Antragsgegner geltend, da sie ihren Lebensunterhalt durch die Gewinne ihres Fotogeschäfts sowie Mieteinnahmen selbst bestreiten konnte. Nachdem allerdings die Gewinne ihres Unternehmens eingebrochen waren und sie sich zudem eine schwerwiegende Verletzung mit längerer Arbeitsunfähigkeit zugezogen hatte, machte die Antragstellerin erstmals mit Schreiben vom 31.5.2007 Trennungsunterhalt geltend, den sie sodann einklagte. Zwischen Juni 2007 und Mai 2009 zahlte der Antragsgegner jeweils 50,00 EUR Trennungsunterhalt monatlich.
Mit Schriftsatz vom 13.11.2008 - zugestellt am 20.5.2009 - hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt.
Aus dem vom AG zum Versorgungsausgleich eingeholten Auskünften ergaben sich während der Ehezeit von der Antragstellerin erworbene Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 175,72 EUR. Die während der Ehe erworbenen Versorgungsbezüge des Antragsgegners beliefen sich auf 2.176,62 EUR.
Im Ehescheidungsverfahren hat die Antragstellerin nachehelichen Elementarunterhalt sowie Vorsorgeunterhalt i.H.v. insgesamt ca. 1.000,00 EUR geltend gemacht.
Der Antragsgegner beantragte, den Versorgungsausgleich im Hinblick auf die lange Trennungszeit nach § 1587c BGB zu beschränken. Insbesondere die notarielle Regelung vom 21.6.2001 dokumentierte die wirtschaftliche Selbständigkeit der Parteien seit der Trennung.
Im Termin vor dem AG am 19.4.2010 haben sich die Parteien im Parallelverfahren zum Trennungsunterhalt darauf geeinigt, dass der Ehemann zur Abgeltung der Trennungsunterhaltsansprüche einen Gesamtbetrag von weiteren 16.600,00 EUR an die Ehefrau zahlt. Im Übrigen haben beide Parteien Verzicht auf nachehelichen Unterhalt vereinbart.
Das AG hat daraufhin die Ehe der Parteien geschieden. Den sich rechnerisch ergebenden Ausgleichsbetrag zum Versorgungsausgleich i.H.v. monatlich 1.000,45 EUR hat das AG um 1/6 auf 833,71 EUR gekürzt.
Zur Begründung verwies es auf die lange Trennungszeit sowie darauf, dass sich die Verhältnisse der Parteien bereits erheblich wirtschaftlich verselbständigt gehabt hätten.
Gegen den Urteilsausspruch zum Versorgungsausgleich hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Im Wege der Anschlussbeschwerde hat der Ehemann beantragt, die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend abzuändern, dass zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners zugunsten der Antragstellerin geringere als die ausgeurteilten Rentenanwartschaften begründet werden.
Das Rechtsmittel der Antragstellerin hatte Erfolg, die Anschlussbeschwerde des Ehemannes wurde zurückgewiesen.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, das AG habe zu Unrecht den Versorgungsausgleich um 1/6 gekürzt.
Gemäß § 1587c Nr. 1 BGB finde ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Es handele sich mithin um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Ein Ausschluss oder eine Herabsetzung komme nur in Betracht, wenn der Versorgungsausgleich sein Ziel, zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beizutragen, nicht erreiche, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde (vgl. etwa BGH, Entscheidung v. 25.4.2007 - XII ZB 206/06, FamRZ 2007, 1084). Das OLG verwies auf die Rechtsprechung des BGH und einiger OLG, wonach nach dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs als beidersei...