Leitsatz
Zentrales Problem dieser und der Entscheidung des BGH zur Geschäftsnummer XII ZB 101/05 gleichen Datums war die Frage, ob anlässlich der Ehescheidung zweier niederländischer Staatsangehöriger nach niederländischem Recht eine gerichtliche Regelung des Versorgungsausgleichs zu erfolgen hat.
Sachverhalt
Der BGH hatte sich in dieser und der Entscheidung zur Geschäftsnummer XII ZB 101/05 in zwei ähnlich gelagerten Fällen mit folgender Konstellation zu befassen:
Ehepartner mit niederländischer Staatsangehörigkeit lebten geraume Zeit mit ständigem Wohnsitz in Deutschland. In einem Fall hatten beide Parteien, in dem anderen Fall nur der Ehemann den Großteil der gesetzlichen und betrieblichen Rentenanwartschaften in Deutschland erworben.
Die Parteien wurden nach niederländischem Recht geschieden. In beiden Fällen stellte die Ehefrau bei einem deutschen Gericht den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB. In beiden Fällen waren die Parteien nach niederländischem Recht geschieden worden.
An sich wäre die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht danach unzulässig. Allerdings ist gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 2 BGB eine Ausnahme für den Fall vorgesehen, dass das "andere Recht" einen mit dem deutschen System vergleichbaren Versorgungsausgleich nicht kennt, da in solchen Fällen der Ausgleich der in Deutschland erworbenen Anwartschaften nach dem ansonsten berufenen Sachrecht (hier: niederländisches Recht) nicht durchgeführt werden kann.
In beiden Fällen haben die Vorinstanzen die Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abgelehnt, dass das niederländische Recht ein dem deutschen Recht vergleichbares Versorgungsausgleichssystem nicht kenne.
In beiden Fällen legten die jeweiligen Ehefrauen Rechtsbeschwerde gegen die vorausgegangenen OLG-Entscheidungen ein.
Die Rechtsmittel waren jeweils erfolgreich.
Entscheidung
In seinen Entscheidungen hat der BGH ausgeführt, dass der Versorgungsausgleich nach der niederländischen Konzeption nicht in allen relevanten Bereichen mit den wesentlichen Strukturmerkmalen des deutschen Versorgungsausgleichs vergleichbar sei und deshalb die in Deutschland erworbenen ehezeitlichen Versorgungsanrechte die Möglichkeit zur regelwidrigen Anwendung des deutschen Rechts nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB eröffneten.
Das zum 1.5.1995 in den Niederlanden in Kraft getretene Gesetz über die Ausgleichung von Versorgungsansprüchen bei Scheidung (WVP) regele die Verteilung von in der Ehezeit aufgebauten Rentenanwartschaften bei Privat- oder Betriebspensionskassen nach Scheidung bzw. nach Trennung von Tisch und Bett, indem es dem Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes abgeleitete Ansprüche gegen den Versorgungsträger zur Verfügung stelle. Die anteilige Auszahlung der monatlichen Altersrente durch den Versorgungsträger bleibe dabei grundsätzlich abhängig von dem Rentenanspruch des Ehegatten, der die Altersrente aufgebaut hat. Die Regelung des WVP sei damit zwar grundsätzlich mit dem (subsidiären) deutschen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vergleichbar. Allerdings stelle sie dem Ausgleichsberechtigten für den im Anwendungsbereich der Art. 17 Abs. 3 EGBGB bedeutsamen Ausgleich "ausländischer" (hier also deutscher) Anrechte nur Ansprüche gegen den anderen Ehegatten zur Verfügung, ohne dass ihm Abtretungsansprüche zuständen und ohne dass die Zahlungsansprüche unter bestimmten Voraussetzungen gegen ein Vorversterben des Ausgleichspflichtigen abgesichert seien.
Ob die schwache Ausgestaltung des Anspruchs aus der niederländischen Regelung für sich genommen gegen eine Qualifizierung als Versorgungsausgleich i.S.v. Art. 17 Abs. 3 EGBGB spreche, könne dahinstehen. Dem niederländischen Recht sei ein Versorgungsausgleich jedenfalls deshalb unbekannt, weil es die gesetzlichen AOW-Pensionen nicht dem Wertausgleich unterziehe, was in Versorgungsausgleichsverfahren mit internationalem Bezug zu einer erheblichen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes führen könne.
Die angefochtenen Entscheidungen könnten daher nicht bestehen bleiben. Die Verfahren seien an das OLG zurückzuverweisen, damit es die in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Parteien ermittele und auf den Antrag der jeweiligen Ehefrau den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht durchführe, soweit dies im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit nicht der Billigkeit widerspreche.
Durch die Aufnahme einer Billigkeitsklausel solle der Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB so flexibel gestaltet werden, dass eine den Belangen aller Beteiligten entsprechende gerechte Lösung in jedem Einzelfall eines berechtigten Bedürfnisses nach einem Versorgungsausgleich möglich sein solle.
Ob die Durchführung der Billigkeit widerspreche, habe das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ohne dabei auf die in der Billigkeitsklausel genannten Anhaltspunkte beschränkt zu sein.
Hinweis
Auch wenn in Auslandsfällen das ausländi...