Leitsatz
Häufig sind nach altem Recht begonnene Versorgungsausgleichsverfahren zwischenzeitlich in das neue Recht gemäß § 48 Abs. 2 oder Abs. 3 VersAusglG übergeleitet worden. Durch Abtrennung übergeleitete Versorgungsausgleichssachen sind dann gemäß Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG als selbständige Familiensache fortzuführen. Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit den dann eintretenden Rechtsfolgen auseinandergesetzt.
Sachverhalt
In dem vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Scheidungsverbundverfahren hatte das AG der Antragstellerin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Mit Urteil vom 10.12.2009 wurde die Ehe der Parteien geschieden und das Verfahren zum Versorgungsausgleich unter Hinweis auf § 2 VAÜG abgetrennt und ausgesetzt. Bereits im Januar 2010 hat das AG das Verfahren zum Versorgungsausgleich gemäß § 50 VersAusglG wieder aufgenommen. Auf Antrag der Antragstellerin hat das AG ihr für dieses Verfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Den Antrag auf Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten hat es zurückgewiesen. Auch die Beschwerde der Antragstellerin wurde zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den angefochtenen Beschluss "klarstellend" aufgehoben und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf die im Scheidungsverbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Dagegen richtete sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin führte zur Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts und zur Zurückverweisung zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin.
Nach Auffassung des BGH war der Antragstellerin die begehrte Verfahrenskostenhilfe zu Unrecht unter Hinweis auf die im Scheidungsverbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe versagt worden.
Das OLG sei allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht allein durch die Abtrennung vom Scheidungsverbund nach altem Recht die Qualifikation als Folgesache verloren habe. Dies gelte unabhängig davon, ob der Versorgungsausgleich - wie im vorliegenden Fall - nach dem bis Ende August 2009 geltenden früheren Recht (§ 628 ZPO a.F.) oder nunmehr nach dem seit September 2009 geltenden neuen Recht (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG) abgetrennt worden sei. Anderes gelte jedoch aufgrund des hier einschlägigen Übergangsrechts des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG. Danach seien auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt waren oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt worden seien, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden.
Solche vom Verbund abgetrennte Folgesachen würden nach Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG als selbständige Familiensachen fortgeführt. Der Wortlaut des Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG spreche eindeutig gegen eine Fortführung als Folgesache. Die Vorschrift verfolge nicht lediglich das Ziel, mehrere abgetrennte Folgesachen voneinander zu trennen.
Im Übrigen sei auch im wortgleichen Fall der Abtrennung einer Verbundsache nach § 623 Abs. 2 S. 4 ZPO a.F. das abgetrennte Verfahren als selbständige Familiensache fortgeführt worden. Mit dieser Abtrennung habe das Verfahren den Charakter als Folgesache verloren. Nichts anderes gelte in den Übergangsfällen für den Versorgungsausgleich im Hinblick auf Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG.
Hinweis
Mit dieser Entscheidung hat der BGH weitgehend Klarheit in der bislang höchst streitigen Rechtsfrage herbeigeführt, welche Rechtsfolgen an die gemäß Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG selbständig gewordene Versorgungsausgleichssache anknüpfen. Die Versorgungsausgleichssache wird gänzlich eigenständig und verliert sowohl ihren Verbund- als auch ihren Folgesachencharakter.
Obwohl die Entscheidung das Übergangsrecht zum FamFG betrifft, ist sie für die Praxis sehr relevant, da es viele aus dem Scheidungsverbund abgetrennte und ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren gibt, für die - weil das Scheidungsverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden war - zunächst noch das alte Recht galt, gemäß § 48 Abs. 2 VersAusglG und Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG aber mit dem 1.9.2009 oder mit der zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Abtrennung ein Übergang in das neue Recht stattgefunden hat.
Eine wesentliche Konsequenz ist, dass die früher bewilligte Prozesskostenhilfe nicht fortgilt und dem nach Wiederaufnahme gestellten Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die selbständige Familiensache nicht das Rechtsschutzbedürfnis nimmt. Die Prüfung dieses Antrages erfolgt allein nach §§ 76 ff. FamFG. Insbesondere die Frage der Beiordnung des Rechtsanwalts ist dann anhand des § 78 Abs. 2 FamFG zu messen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 16.02.2011, XII ZB 261/10