Leitsatz
In der gesetzlichen Rentenversicherung führt die Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente vor der gesetzlichen Altersgrenze vielfach nach § 77 SGB VI zu einem Versorgungsabschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme. Ebenso ergibt sich eine Erhöhung der Rente um 0,5 % für jeden Monat der späteren Inanspruchnahme. § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB schreibt vor, diese Zu- und Abschläge beim Versorgungsausgleich unberücksichtigt zu lassen. Der BGH hat dies als Verstoß gegen die Halbteilung betrachtet und deshalb in verfassungskonformer einschränkender Auslegung des § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB den Abschlag nur mit dessen Ehezeitanteil berücksichtigt (BGH vom 22.6.2005 - XII ZB 117/03 in FamRZ 2005, 1455). Die Rechtsprechung zu diesem Problem wurde vielfach kritisiert. Dieser Kritik hat sich in seiner Entscheidung auch das KG angeschlossen und die Sache dem BGH vorgelegt.
Sachverhalt
Die Parteien stritten noch um die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs. Sie hatten am 18.1.1964 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau wurde dem Ehemann am 17.10.2006 zugestellt. Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden und den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt.
Während der Ehezeit hatten beide Parteien sowohl angleichungsdynamische als auch nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Ehezeitanteil der Vollrente wegen Alters des Ehemannes belief sich auf einen nichtangleichungsdynamischen Anteil i.H.v. 207,65 EUR und einen angleichungsdynamischen Anteil i.H.v. 1.001,69 EUR. Der Ehezeitanteil der von der Ehefrau bereits vor Ende der Ehezeit seit dem 1.1.2005, also mit Vollendung des 60. Lebensjahres, bezogenen Altersrente für Frauen bei der DRV Berlin-Brandenburg belief sich - ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors - auf einen nichtangleichungsdynamischen Teil i.H.v. 312,84 EUR und einen angleichungsdynamischen Teil i.H.v. 630,34 EUR. Zusätzlich hatte die Ehefrau bei Ende der Ehezeit eine volldynamische Betriebsrente bei der Deutschen Post AG mit einem Ehezeitanteil von monatlich 275,47 EUR sowie eine statische Betriebsrente bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost mit einem Ehezeitanteil von monatlich 51,27 EUR bezogen.
Das AG hat den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass es im Wege des Splittings von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Bund auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV Berlin-Brandenburg Rentenanwartschaften i.H.v. 135,17 EUR übertragen hat. Auf die Beschwerde des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu 1) hat das KG die Entscheidung abgeändert und im Wege des analogen Quasi-Splittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Betriebsrente der Ehefrau bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost Rentenanwartschaften i.H.v. 2,29 EUR und im Wege des erweiterten Splittings zu Lasten der Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der DRV Berlin-Brandenburg Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 18,97 EUR auf das Versicherungskonto des Antragsgegners übertragen. Hiergegen richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.
Das Rechtsmittel der Ehefrau hatte Erfolg und führte zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Entscheidung
Der BGH hat an seiner Rechtsprechung festgehalten. Es könne zwar sein, dass nach dem SGB VI die Entgeltpunkte korrekt geteilt würden. Das Gesetz teile im Versorgungsausgleich jedoch die Rentenanwartschaften, deshalb sei auf diese realen Versorgungswerte abzustellen.
Soweit beim Vollzug dieser Regelung Unstimmigkeiten mit den auf Teilung der Entgeltpunkte abstellenden Vorschriften auftreten, seien diese durch eine ebenfalls anpassende verfassungskonforme Auslegung eben dieser Vollzugsregelungen zu beheben. Die übertragenen Anrechte seien zuerst nach dem aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende (ohne Zugangsfaktor) in Entgeltpunkte umzurechnen und die Zu- und Abschläge von den persönlichen Entgeltpunkten dann nach den jeweiligen Zugangsfaktoren zu bestimmen.
Hinweis
Mit der seit dem 1.9.2009 geltenden gesetzlichen Regelung werden Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr nach der Höhe der erworbenen Renten, sondern nach der Höhe der erworbenen Entgeltpunkte geteilt werden. Die systematische Abkehr der neuen gesetzlichen Regelung vom einheitlich bilanzierenden Versorgungsausgleich und Hinwendung zu einer individuellen Teilung der jeweiligen Anrechte unter Übernahme vom jeweiligen Versorgungsträger gewählter Bewertungsmethoden führt dazu, dass dann ausdrücklich die Entgeltpunkte und nicht mehr die Rentenanwartschaften geteilt werden. Der Systemwechsel des Gesetzgebers kann somit eine früher verfassungswidrige Regelung verfassungskonform machen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 01.10.2008, XII ZB 34/08