Leitsatz

In der gesetzlichen Rentenversicherung führt die Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente vor der gesetzlichen Altersgrenze vielfach nach § 77 SGB VI zu einem Versorgungsabschlag für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme. Der BGH hatte sich in dieser Entscheidung erneut damit auseinanderzusetzen, inwieweit dieser Abschlag beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten am 18.8.1965 geheiratet. Der Ehescheidungsantrag der Ehefrau war dem Ehemann am 13.6.2006 zugestellt worden. Der Ehemann bezog bereits seit Februar 2005 eine Betriebsrente der D. AG sowie seit 1.4.2002 eine gesetzliche Rente, die wegen des 60 Monate vor der Regelaltersgrenze liegenden Leistungsbeginns mit einem um 18 % verminderten Zugangsfaktor berechnet wurde. Sei 1.5.2002 bezog auch die Ehefrau eine gesetzliche Vollrente wegen Alters.

Das FamG hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es durch Splitting Rentenanwartschaften i.H.v. 364,15 EUR und zum Ausgleich des betrieblichen Anrechts durch erweitertes Splitting Rentenanwartschaften i.H.v. 27,45 EUR vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der DRV Rheinland auf das dort bestehende Versicherungskonto der Ehefrau übertragen hat.

Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das OLG die Entscheidung zum Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass es den Wertausgleich zugunsten der Ehefrau - neben dem nicht beanstandeten erweiterten Splitting i.H.v. 27,45 EUR monatlich - durch Rentensplitting i.H.v. 296,08 EUR monatlich durchgeführt hat. Das gesetzliche Rentenanrecht des Ehemannes bei der DRV Rheinland hat das OLG dabei mit 795,93 EUR unter Beachtung eines verminderten Zugangsfaktors von 0,853 bewertet, der die in die Ehezeit fallenden Verminderungszeiten berücksichtigt. Das betriebliche Anrecht des Ehemannes hat das OLG ebenso wie das FamG nicht ein dynamisches Anrecht umgerechnet und ist von einem dem Wertausgleich unterliegenden Ehezeitanteil i.H.v. 54,91 EUR ausgegangen.

Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wollte die DRV Rheinland erreichen, dass das gesetzliche Rentenanrecht des Ehemannes im Versorgungsausgleich ohne Berücksichtigung des verminderten Zugangsfaktors bewertet wird.

 

Entscheidung

Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG, soweit die Betriebsrente des Ehemannes durch erweitertes Splitting ausgeglichen worden war.

Im Übrigen hat der BGH an seiner Rechtsprechung festgehalten. Es möge sein, dass nach dem SGB VI die Entgeltpunkte korrekt geteilt würden. Das BGB teile im Versorgungsausgleich jedoch die Rentenanwartschaften, deshalb sei auf die realen Versorgungswerte abzustellen. Die übertragenen Anrechte seien zuerst nach dem aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende (ohne Zugangsfaktor) in Entgeltpunkte umzurechnen und die Zu- und Abschläge von den persönlichen Entgeltpunkten dann nach den jeweiligen Zugangsfaktoren zu bestimmen.

Nur diese Methode gewährleiste, dass das auszugleichende laufende Anrecht des Ehemannes mit seinem wirklichen, nämlich um den Zugangsfaktor verminderten Wert zum Stichtag Ehezeitende - und nicht mit einem fiktiven höheren Wert, der bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr erreicht werden könne - bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages Berücksichtigung finde und dem in § 1587a Abs. 1 BGB normierten Halbteilungsgrundsatz Rechnung getragen werde.

 

Hinweis

Seit dem 1.9.2009 werden Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr nach der Höhe der erworbenen Renten, sondern nach der Höhe der erworbenen Entgeltpunkte geteilt (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Die systematische Abkehr der Strukturreform vom einheitlich bilanzierenden Versorgungsausgleich und Hinwendung zu einer individuellen Teilung der jeweiligen Anrechte unter Übernahme vom jeweiligen Versorgungsträger gewählter Berechnungsmethoden führt dazu, dass zukünftig die Entgeltpunkte und nicht mehr die Rentenanwartschaften geteilt werden. Die Bedenken des BGH gegen den § 1587a Abs. 2 S. 2 BGB lassen sich gleichwohl auf die neue Regelung nicht ohne weiteres übertragen, da er ausdrücklich darauf abstellt, dass das BGB nicht Entgeltpunkte, sondern Rentenanrechte teilen will. Der Systemwechsel kann also dazu führen, dass eine früher verfassungswidrige Regelung verfassungskonform gemacht wird.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 04.03.2009, XII ZB 117/07

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