Leitsatz
Entsprechend der früheren Regelung in §§ 1587c, 1587h BGB kann es nach der neuen Generalklausel des § 27 VersAusglG geboten sein, dass ein Versorgungsausgleich ganz oder teilweise nicht stattfindet. Dies kann einen völligen Ausschluss des Versorgungsausgleichs oder auch nur eine Herabsetzung der Ausgleichsverpflichtung zur Folge haben.
Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Köln waren die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Härtefalls nach § 27 VersAusglG.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Mai 1982 geheiratet und sich im April 2008 getrennt. Nach der Trennung war die Antragsgegnerin mit einem neuen Lebenspartner zusammengezogen.
Der seit seiner Geburt schwerbehinderte Antragsteller hatte beantragt, den Versorgungsausgleich gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen. Er war seit 1968 als Beamter berufstätig. Die Antragsgegnerin hatte keinen Beruf erlernt und sich während der Ehe nach einer einvernehmlichen Rollenverteilung überwiegend der Führung des Haushalts gewidmet. Darüber hinaus hatte sie gelegentlich im Geringverdienerbereich zur Aufbesserung des Familieneinkommens gearbeitet.
Beide Eheleute waren nicht vermögend. Die Versorgungslage des Antragstellers war deutlich besser als die der Antragsgegnerin, die während der Ehezeit kaum Versorgungsanrechte erworben hatte.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Versorgungsausgleich in vollem Umfang durchgeführt.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragstellers, die ohne Erfolg blieb.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, das Familiengericht habe zu Recht den Versorgungsausgleich durchgeführt, da die Voraussetzungen des § 27 VersAusglG nicht vorlägen.
Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei dann unbillig, wenn seine rein schematische Durchführung unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, eine dauerhafte gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (so BGH FamRZ 2005, 1238; Beschl. v. 25.5.2005 - XII ZB 135/02).
Zur Beurteilung der Härtefälle könne auf die Fallgruppen der Rechtsprechung nach altem Recht zurückgegriffen werden. Ein wirtschaftliches Missverhältnis der jeweiligen Vermögenslagen der Eheleute zugunsten der ausgleichsberechtigten Ehefrau könne nicht festgestellt werden. Die Versorgungslage des Antragstellers als Haupternährer der Familie sei deutlich besser, wobei die Antragsgegnerin dringend auf die Altersversorgung aus dem Versorgungsausgleich angewiesen sei. Auch die Würdigung der persönlichen Verhältnisse und des Alters des Antragstellers rechtfertigten eine Härtefallregelung nicht. Die Eheleute hätten bis zur Trennung fast 26 Jahre eine normale Ehe- und Versorgungsgemeinschaft geführt, in der die Rollen einvernehmlich dahingehend verteilt worden seien, dass der Antragsteller trotz seiner Behinderung die wirtschaftlichen Grundlagen für die Familie durch seine Erwerbstätigkeit schafft und die Antragsgegnerin den Haushalt führt.
Der Antragsteller werde nach über 40 Jahren als Beamter die Höchstpension beziehen, während die Rentensituation der Antragsgegnerin deutlich schlechter sei.
Beiden Ehepartnern sei während des Zusammenlebens bewusst gewesen, dass im Hinblick auf die von ihnen gewählte Rollenverteilung nur einer von ihnen in nennenswertem Umfang Altersversorgung betreibe.
Die Zuwendung der Antragsgegnerin zu einem neuen Partner auch schon während der Ehe sei nicht zu berücksichtigen. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG habe keinen Strafcharakter.
Hinweis
Das OLG hat sich in seiner Entscheidung auf die von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach altem Recht bezogen.
Wegen des Wegfalls des Einmalausgleichs muss nunmehr nach neuem Recht eine gesonderte Prüfung für jedes einzelne Anrecht stattfinden, ob unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnissen die Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz wegen einer groben Unbilligkeit ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Dabei wird in § 27 VersAusglG wegen der Teilung jedes Anrechts im Wege des Einzelausgleichs nach neuem Recht nicht mehr zwischen dem Berechtigten oder Verpflichteten unterschieden. Das neue System des Versorgungsausgleichs der anrechtsbezogenen Teilung ermöglicht daher auf der Rechtsfolgenseite flexible Lösungen durch Beschränkung der Teilung auf einzelne Anrechte.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Beschluss vom 31.08.2011, 4 UF 157/11