Leitsatz

Das OLG hatte sich in diesem Verfahren mit einem Versehen des erstinstanzlichen Gerichts zu beschäftigen, das bei Durchführung des Versorgungsausgleichs unberücksichtigt gelassen hatte, dass der Ehemann als Beamter auch Versorgungsanwartschaften des Landes Niedersachsen erworben hatte.

 

Sachverhalt

Die Ehe der Parteien war unter Durchführung des Versorgungsausgleichs durch Urteil vom 20.12.1991 geschieden worden. Das erstinstanzliche Gericht hatte dabei unberücksichtigt gelassen, dass der Ehemann als Beamter des Landes Niedersachsen auch Versorgungsanwartschaften erworben hatte. Aufgrund der Angaben des Antragstellers im Fragebogen zum Versorgungsausgleich hatte es zwar ein Auskunftsersuchen an die TU gerichtet, dieses aber mangels Reaktion von dort aus den Augen verloren. Das Urteil wurde sodann Ende Oktober/Anfang November 2003 an die Parteien, die DRV Bund und die Kirchliche Zusatzversorgungskasse zugestellt.

Mit Schreiben vom 5.8.2004 wandte sich das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) an das AG mit der Bitte, Auskünfte anderer Versorgungsträger einzuholen und mitzuteilen, um dann die dem Antragsteller zustehende beamtenrechtliche Versorgung korrekt berechnen zu können.

Daraufhin stellte das AG dem NLBV das Urteil vom 16.10.2003 am 18.8.2004 zu und verwies in einem Begleitschreiben auf das Versehen bezüglich der in Vergessenheit geratenen beamtenrechtlichen Versorgung.

Mit einem am 9.9.2004 eingegangenen Schriftsatz an das OLG hat das NLBV gegen das Verbundurteil - soweit der Versorgungsausgleich betroffen war - Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Das NLBV beantragte, den Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller erworbenen Versorgungsanwartschaften zu regeln.

Die Beschwerde erwies sich als zulässig und auch begründet.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Beschwerde des NLBV sei als frist- und formgerecht eingelegt zu behandeln, obgleich bei Eingang der Beschwerde am 9.9.2004 alle Rechtsmittelfristen gegen das erstinstanzliche Urteil bereits abgelaufen gewesen seien. Dem NLBV sei wegen schuldloser Versäumung dieser Fristen auch ohne ausdrücklichen Antrag gemäß § 236 Abs. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das NLBV habe von dem Urteil erst durch Übersendung einer Urteilsausfertigung - zugegangen am 18.8.2004 - Kenntnis erlangt. Damit habe an sich die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung eines Rechtsmittels zu laufen begonnen, da bis dahin das NLBV ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Beschwerdefrist einzuhalten. Insbesondere könne ihm nicht vorgeworfen werden, nicht von sich aus früher auf eine Übersendung des Urteils gedrängt zu haben. Für das NLBV habe keine Veranlassung bestanden, davon auszugehen, dass bereits ein Urteil ergangen sei, zumal eine Auskunft zur beamtenrechtlichen Versorgung des Antragstellers noch nicht erteilt worden war.

Auch die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist habe das NLBV ohne sein Verschulden verstreichen lassen, da das AG mit der Übersendung des Urteils mitgeteilt habe, dass dieses wegen der fehlenden Zustellung an das NLBV "hinsichtlich des Versorgungsausgleichs jedoch nicht rechtskräftig geworden sein dürfte", so dass es "vorsorglich anheim stelle, Rechtsmittel gemäß § 629a ZPO einzulegen".

Das NLBV als Beschwerdeführer habe auf die Richtigkeit dieser Auskunft vertrauen und daraus den Schluss ziehen dürfen, für ihn laufe seit der Kenntnisnahme von dem Urteil die Rechtsmittelfrist von einem Monat.

Da die Beschwerde und gleichzeitig deren Begründung innerhalb der nach Mitteilung des AG anzunehmenden Rechtsmittelfrist eingegangen seien, sei dem NLBV auch ohne ausdrücklichen Antrag gemäß § 236 Abs. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen.

Die Beschwerde sei auch begründet. Das AG habe in der angefochtenen Entscheidung den Versorgungsausgleich durchgeführt, ohne die Versorgungsanwartschaften zu berücksichtigen, die der Antragsteller als Beamter des Landes Niedersachsen erworben hatte.

 

Link zur Entscheidung

OLG Braunschweig, Beschluss vom 06.11.2006, 2 UF 207/04

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