Leitsatz
Die Beteiligten hatten am 12.8.1999 geheiratet. Der Ehescheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 9.6.2009 zugestellt.
Die Ehe wurde mit Endurteil vom 29.9.2010 geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.
Im Wege der internen Teilung wurde zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 3.085,13 Entgeltpunkten auf das für sie vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung übertragen.
Der Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern-Süd in Höhe von 0,6416 Entgeltpunkten unterblieb.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit der Begründung, das AG hätte auch die Anrechte der Ehefrau bei der DRV Bayern-Süd ausgleichen müssen. Zu einer Anwendung von § 18 Abs. 2 VersAusglG sei kein Raum.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach von dem Ausgleich der von der Antragsgegnerin während der Ehezeit bei der DRV Bayern-Süd erworbenen Anrechte abzusehen sei.
Gemäß § 18 VersAusglG sollten Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert oder einer geringen Differenz der Ausgleichswerte nicht ausgeglichen werden. Die Ausgestaltung des § 18 VersAusglG als Sollvorschrift ermögliche es dem Gericht jedoch, nach pflichtgemäßem Ermessen abzuweichen, wenn besondere Umstände dies geböten (Johannsen-Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., Rz. 2 zu § 18 VersAusglG).
Bei Anwendung dieser Vorschrift sei zunächst zu prüfen, ob gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG die Differenz der Kapitalwerte der Ausgleichswerte der gleichartigen Anrechte der beiden Ehegatten den genannten Grenzwert übersteige. Nur wenn dies der Fall sei, komme die Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG in Betracht.
Der Differenzbetrag der Kapitalwerte der Ausgleichswerte belaufe sich auf 21.694,74 EUR und übersteige damit den Grenzwert von 3.024,00 EUR erheblich, weshalb ein Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG ausscheide.
Das OLG verwies im Folgenden auf die unterschiedlichen Auffassungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob dann, wenn ein Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht in Betracht komme, einzelne in die Bewertung gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG einzubeziehende Anrechte aber geringfügig seien, ein Ausschluss gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG erfolgen könne.
Einerseits werde vertreten, dass wenn die vorrangige Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht zum Ausschluss führe, auch ein Ausschluss gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG unzulässig sei. Die Gegenansicht verlange eine Stufenprüfung mit Vorrang des § 18 Abs. 1 VersAusglG, lasse allerdings, wenn hiernach ein Absehen vom Versorgungsausgleich nicht in Betracht komme, den Ausschluss einzelner Anrechte gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG zu.
Der zuletzt genannten Auffassung schloss sich das OLG Nürnberg in seiner Begründung an.
Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG sei von einem Ausgleich grundsätzlich abzusehen, wenn die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte gering sei. Damit sollten diejenigen Fälle sachgerecht entschieden werden, in denen beide Ehegatten in der Ehezeit annähernd gleichwertige Anrechte erworben hätten. Im neuen Ausgleichssystem würde es ansonsten zu einem Hin- und Her-Ausgleich auch hoher Ausgleichswerte kommen, die sich wertmäßig im Ergebnis dennoch annähernd entsprächen.
Das Argument der Beschwerdeführerin, jede Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz verhindere die Anwendung des § 18 VersAusglG, stehe in Widerspruch zu der Zweckbestimmung der Vorschrift und würde der gesetzlichen Regelung jede praktische Bedeutung nehmen. Nach dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers seien jedoch, in den gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG vorgesehenen engen Grenzen, Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz zulässig. Etwas anderes gelte dann, wenn die schematische Anwendung der Vorschrift zu einer Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz über die durch § 18 Abs. 3 VersAusglG bestimmte Geringfügigkeitsgrenze hinausführen würde.
Bei Berücksichtigung der genannten Bewertungsmaßstäbe sei das AG vorliegend nicht nur berechtigt, sondern in Ausübung seines gebundenen Ermessens gehalten gewesen, von dem Ausgleich der von der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen geringfügigen Anrechte abzusehen.
Link zur Entscheidung
OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.11.2010, 11 UF 1504/10