Leitsatz
1. Eine Milchquoten-Verkaufsstelle ist weder eine landwirtschaftliche Interventionsstelle i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 7 der 6. EG-RL noch eine Verkaufsstelle i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 12 dieser RL.
2. Die Behandlung einer Milchquoten-Verkaufsstelle als Nichtsteuerpflichtige, soweit sie i.S.v. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL Tätigkeiten ausübt oder Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, kann nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, da diese Verkaufsstelle in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht mit privaten Wirtschaftsteilnehmern konfrontiert ist, die Leistungen erbringen, die mit den öffentlichen Leistungen konkurrieren. Da dies für jede Milchquoten-Verkaufsstelle gilt, die in einem von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten Übertragungsbereich für Anlieferungs-Referenzmengen tätig ist, ist dieser Übertragungsbereich der räumlich relevante Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen.
Normenkette
Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang D Nr. 7 und Nr. 12 der 6. EG-RL (vgl. § 2 Abs. 3 UStG)
Sachverhalt
Landwirt Götz erhielt von der Landesanstalt für Landwirtschaft als einzige „Milchquoten-Verkaufsstelle” in Bayern keine Rechnung über die Übertragung einer „Milchquote” mit ausgewiesener USt. Diese berief sich darauf, sie sei nicht unternehmerisch tätig. Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der EuGH geht im Ergebnis mit dem BFH davon aus, dass die Tätigkeit der „Milchquoten-Verkaufsstelle” -- anders als die Tätigkeit der Übertragung der UMTS-Lizenzen -- eine Dienstleistung ist. Zu prüfen sei, ob es sich um eine nachhaltige und zur Erzielung des Entgelts ausgeübte Tätigkeit handle. Er weist darauf hin, allein der Erhalt des Gelds rechtfertige nicht die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Ob in diesem Sinn eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, könnte im Streitfall offen bleiben, denn da Bayern der relevante Markt und dort keine privaten „Milchquoten-Verkaufsstellen” tätig sind, ist eine Wettbewerbsverzerrung nicht möglich.
Die Frage, ob -- auch unter Berücksichtigung der Existenz privater „Milchquoten-Verkaufsstellen” in anderen Bundesländern -- eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist jedenfalls noch offen. Soweit private Verteilungsstellen zugelassen sind, ist für diese -- auch wenn sie ebenso wie die öffentlichen Stellen aufgrund spezifischer hoheitlicher Regelungen tätig werden -- nicht Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL bzw. § 2 Abs. 3 UStG anwendbar.
Hinweis
1. Die Entscheidung beantwortet das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 13.07.2006, V R 40/04 (BFH-PR 2007, 27) und konkret die Frage, inwieweit staatliche „Verteilungs-Einrichtungen”, die aufgrund spezifischer öffentlichrechtlicher Regelungen tätig werden, unternehmerisch tätig sind. Das hat der EuGH in den nach dem Vorlagebeschluss ergangenen, die Versteigerung von sog. UMTS-Lizenzen betreffenden Verfahren Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria) und Rs. C-369/04 (Hutchinson 3G) mit dem Hinweis verneint, es handle sich nicht um eine „wirtschaftliche Tätigkeit” i.S.d. Mehrwertsteuerrechts, weil ausschließlich die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer als Inhaber der zugeteilten Rechte auf dem relevanten Markt tätig sind und den fraglichen Gegenstand nutzen, um daraus nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Das muss man hinnehmen. Näher gelegen hätte, die wirtschaftliche Tätigkeit zu bejahen, aber eine mögliche Wettbewerbsverzerrung, die zur Behandlung als Steuerpflichtiger zwingt (Art. 4 Abs. 45 Unterabs. 2 der 6. EG-RL), zu verneinen.
2. Die Besprechungsentscheidung betrifft das ebenfalls öffentlich-rechtlich geregelte Verfahren bei der Übertragung von Milch-Referenzmengen, das in den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist. Anders als in Bayern -- wo der Fall spielt -- waren in anderen Bundesländern (gemeinschaftsrechtlich zulässig) auch private Anbieter tätig. Schon das spricht gegen die Überlegung, es könne sich hier -- wie im Fall der Versteigerung der UMTS-Lizenzen -- nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit handeln.
3. Der EuGH hat die -- zweifelhaften -- Begriffe „landwirtschaftliche Interventionsstelle” oder „Verkaufsstelle” i.S.d. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 7 und Nr. 12 der 6. EG-RL geklärt. Tätigkeit der Interventionsstellen ist der An- und Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse i.S.d. RL; Milchquoten sind keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse. „Verkaufsstelle„ ist (nur) eine Einrichtung, die verschiedene Erzeugnisse und Waren an die Belegschaftsangehörigen der Unternehmen/Behörde verkauft, zu denen sie (die betreffende Einrichtung) gehört.
4. Zweifelhaft war, wie der für die Prüfung möglicher Wettbewerbsverzerrungen relevante Markt zu definieren sei, u.a. weil ausnahmsweise (Erbfall, Eheschließung Betriebsübertragung) die Übertragung flächenungebundener Milchquoten ohne Zwischenschaltung der Verkaufsstellen möglich waren. Der EuGH hat -- wie eigentlich nicht anders zu erwarten -- entschieden: Es...