Gerhard Manz, Dr. Jan Henning Martens
Leitsatz
Eingebettet in einen Anfechtungsprozess, der die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zum Gegenstand hatte, musste das OLG Frankfurt über die nachträgliche Genehmigung von Zahlungen der Gesellschaft an die Rechtsanwaltsgesellschaft eines ihrer Aufsichtsräte entscheiden. Die beklagte Aktiengesellschaft hatte über ihren Vorstand eine Rechtsanwaltsgesellschaft beauftragt. Ein Partner dieser Rechtsanwaltsgesellschaft war zugleich Aufsichtsratsmitglied der AG. Dieser legte die jeweiligen Mandate erst nach Bezahlung der Honorare dem Gesamtaufsichtsrat zur Genehmigung vor. Die Genehmigung wurde vom Gesamtaufsichtsrat jeweils erteilt. Die Klägerin stellte sich auf den Standpunkt, dass die Zahlungen der Gesellschaft an den Aufsichtsrat rechtsgrundlos erfolgt seien und ihre Anfechtungsklage daher Erfolg haben müsse.
Das OLG Frankfurt gab der Anfechtungsklage statt. Die nach § 114 AktG erforderliche Zustimmung zu Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtsrat sei notwendig gewesen und habe nicht vorgelegen. Das OLG Frankfurt führte aus, dass die Zahlungen der Gesellschaft an die Rechtsanwaltskanzlei von insgesamt 1 Mio. EUR auch in nicht unerheblichem Umfang dem Aufsichtsrat zugute kämen. Schließlich habe der Aufsichtsrat als Partner der Rechtsanwaltsgesellschaft das Mandat "an der Hand". Seine Stellung in der Partnerschaft sowie sein Ansehen seien hierdurch naheliegend beeinflusst. Selbst wenn dem Rechtsanwalt nur 10.000 EUR zugute kämen, sei dieser Betrag im Verhältnis zur Gesamtvergütung von 150.000 EUR jedenfalls nicht unbedeutend.
§ 114 Abs. 1 AktG sei klar formuliert und habe zum Hintergrund, dass einem potentiellen Interessenskonflikt zwischen dem Aufsichtsrat und der Gesellschaft jeweils im Vorhinein zugestimmt werden müsse. Ansonsten könnte der Aufsichtsrat laufend unberechtigte Vorteile aus seiner Beziehung zur Gesellschaft ziehen. Die hierdurch vor dem Zustimmungsbeschluss entstehenden Tatsachen könnten bereits zu Beeinflussungen des Aufsichtsrats führen.
Hinweis
Das Urteil des OLG Frankfurt ist angesichts des Gesetzeswortlauts verwunderlich, da die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) gem. § 184 Abs. 1 BGB zur rückwirkenden Gültigkeit des zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfts führt. Insofern wurde bislang eine andere Meinung vertreten und die nachträgliche Genehmigung für ausreichend gehalten. Dem OLG Frankfurt ist zwar zuzugeben, dass vollendete Tatsachen den Aufsichtsrat beeinflussen könnten; unabhängige Aufsichtsräte sollten sich hierdurch aber nicht lenken lassen. Außerdem wird so jede Möglichkeit der Heilung von etwaigen formalen Fehlern genommen, auch wenn die Mandatsvergabe im Einzelfall sachgerecht war. Ganz zu schweigen von den Fällen, in denen in Vertrauen auf die bisher ganz herrschende Auffassung in der juristischen Literatur und Rechtsprechung auf eine vorherige Zustimmung verzichtet, sondern auf eine nachträgliche Genehmigung vertraut wurde. Man wird sehen, ob der BGH das Urteil aufrechterhält oder aufhebt.
Trotz aller Bedenken ist die Entscheidung des OLG Frankfurt (vorerst) zu beachten. Dies gilt nicht nur für den Aufsichtsrat in der AG oder SE, sondern auch für einen Aufsichtsrat in der GmbH. Bei nicht mitbestimmten GmbHs mit fakultativem Beirat gilt nach § 52 Abs. 1 GmbHG, dass die Satzung von § 114 AktG abweichende Regelungen vorsehen kann.
Soweit ein Beirat in der GmbH oder GmbH & Co. KG auch überwachende Tätigkeiten wahrnimmt, soll nach einer Ansicht in der juristischen Literatur das Zustimmungserfordernis auch auf Verträge zwischen einem Beirat und der jeweiligen Gesellschaft Anwendung finden, sodass - soweit nicht wie beim fakultativen Aufsichtsrat abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurden - das Urteil des OLG Frankfurt auch in diesen Fällen zu beachten ist.
Link zur Entscheidung
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.02.2011, 5 U 30/10