Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 3 WEG, § 7 Abs. 4 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 242 BGB
Kommentar
1. Die vertragliche Verpflichtung (hier gem. Kaufvertrag) eines Beteiligten (hier die eines Bruchteilsmiteigentümers von 2 Miteigentümern), die für die Einräumung von Sondereigentum erforderlichen Willenserklärungen abzugeben, hängt nicht davon ab, ob zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung die Voraussetzungen der Abgeschlossenheit im Sinne des § 3 Abs. 2 WEG gegeben sind. Auch eine spätere "Kraftloserklärung" der Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Baugenehmigungsbehörde steht einer Begründungsverpflichtung von Wohnungseigentum nicht entgegen (vgl. BayObLG Z 1990, 168). Voraussetzungen der WE-Begründung könnten hier auch noch nachträglich geschaffen werden. Wohnungseigentum kann sogar schon vor Errichtung eines Gebäudes gebildet werden. Gleiches gilt z. B. auch trotz einer von Anfang an bestehenden Baubeschränkung (vgl. BGH, WPM 1990, 606).
2. Selbst wenn bei Abschluss eines Kaufvertrages die vorhandenen beiden Haushälften nahezu gleich groß waren, und sie nunmehr in einem Wertverhältnis von 42 % zu 58 % stehen, kann ein Beteiligter von der im Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung, Wohnungseigentum zu begründen, nicht über Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurücktreten. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt nämlich grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrages, sondern nur zur Anpassung seines Inhalts an die veränderten Umstände in einer Form, die den berechtigten Interessen beider Beteiligter Rechnung trägt (BGHZ 89, 226/238). Eine Vertragsauflösung käme nur infrage, wenn die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar wäre (hier nicht der Fall).
Bei Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist vorliegend die Verpflichtung zur Begründung von Wohnungseigentum in der Weise an die veränderten Gegebenheiten anzupassen, dass der Kostenverteilungsschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG entsprechend geändert wird (Beteiligung an den Kosten und Lasten im Verhältnis 58 % zu 42 %).
Auch bei einer bereits bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft können - wenn die Wohnflächen einer Wohnung nachträglich durch einen Anbau wesentlich vergrößert werden - entweder die Miteigentumsquoten oder der Kostenverteilungsschlüssel unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geändert werden (vgl. BayObLG Z 1985, 47/50; OLG Frankfurt, Rechtspfleger 78, 380; AG Oldenburg, DWE 1983, 27). Ein Zugriff auf bestehende Miteigentumsanteile käme allerdings nur dann in Betracht, wenn einschneidende Anpassungen den geänderten Verhältnissen nicht gerecht werden könnten. Vorliegend waren deshalb allein die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums anzupassen an gutachtlich bestätigte aktuelle Flächenwertverhältnisse beider Sondereigentumseinheiten (unter Berücksichtigung der Wohnflächen und auch der Nutzflächen in Keller- und Speicherräumen).
Zum Zweck der grundbuchrechtlichen Verdinglichung einer solchen Vereinbarung wurde die Antragsgegnerseite zur Abgabe der entsprechenden Willens- und Grundbucherklärungen verpflichtet.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 06.02.1991, BReg 2 Z 148/90= BayObLG Z 1991 Nr. 13)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung