1 Leitsatz

Eine vom Gericht nach einer wirksamen ordentlichen Kündigung angeordnete Vertragsfortsetzung auf unbestimmte Zeit ist dem Vermieter grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn die vom Mieter entrichtete Miete der marktüblichen Neuvermietungsmiete entspricht. Liegt die bisherige Vertragsmiete darunter und ist für den Mieter die Entrichtung einer marktüblichen Miete sozial verträglich, hat das Gericht neben der unbestimmten Fortsetzung des Mietverhältnisses eine entsprechende Erhöhung der Miete anzuordnen.

2 Normenkette

BGB §§ 574, 574a

3 Das Problem

Der Mieter von Wohnraum ist bei einer Kündigung durch den Vermieter – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – in doppelter Hinsicht geschützt. Zum einen dadurch, dass der Vermieter grundsätzlich nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses, d. h. bei Vorliegen eines gesetzlichen Kündigungsgrundes (z. B. Eigenbedarf) kündigen kann; zum anderen durch die Sozialklausel des § 574 BGB, wonach der Mieter selbst dann, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dargelegt und bewiesen hat, der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, wenn die Beendigung für ihn, seine Familie oder einen Haushaltsangehörigen eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 BGB).

4 Die Entscheidung

In dem vom LG Berlin entschiedenen Fall hat das Gericht die Eigenbedarfskündigung des Vermieters zwar als berechtigt angesehen; gleichwohl aber entschieden, dass das Mietverhältnis aufgrund der unzumutbaren Härte für den Mieter auf unbestimmte Zeit fortzusetzen sei. Aufgrund des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass der Verlust der Wohnung den Mieter wegen seiner fehlenden sozialen Ressourcen und seiner psychischen Vorerkrankungen überfordern und zu einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung einschließlich einer schweren depressiven Episode führen würde. Allerdings ist nach Ansicht des Gerichts dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen nicht zuzumuten, da die bisher entrichtete Miete deutlich unter der üblichen Marktmiete liegt. Für den Vermieter angemessen sind im Falle einer gerichtlich angeordneten Vertragsfortsetzung grundsätzlich nur solche Bedingungen, wie sie bei vergleichbaren Mietverhältnissen in der Gemeinde üblich sind. Abzustellen ist daher auf die vom Gericht erforderlichenfalls zu schätzende ortsübliche Neuvertragsmiete, sofern diese für den Mieter noch sozialverträglich ist.

Hinweis

Die Kappungsgrenze und die sonstigen Formalien einer Mieterhöhung sind dabei unbeachtlich. Auch wenn die nicht unerhebliche Anhebung der Miete für den Mieter zu Einschränkungen in seiner bisherigen Lebensführung führt, muss diese vom Mieter hingenommen werden, zumal auch der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht nur fortdauernd wirtschaftliche Nachteile, sondern ebenfalls eine Beschränkung seiner Lebensführung hinzunehmen hat.

5 Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 7.12.2023, 67 S 20/23, GE 2024, 41

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