Dr. Christian Schlottfeldt
Der Verzicht auf eine betriebsseitige Kontrolle der geleisteten Arbeitszeit wirft zuweilen die Frage auf, ob und wie "Mehrarbeit" kontrolliert und ausgeglichen werden kann.
Einen allgemeingültigen Begriff der "Mehrarbeit" gibt es nicht. Der Ausdruck "Mehrarbeit" wird in unterschiedlichen Zusammenhängen des Arbeitszeitschutzrechts, Vergütungsrechts (z. B. zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Rahmen von Tarifverträgen) sowie im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung verwendet; das Begriffsverständnis ist dabei nicht immer einheitlich. Der Terminus "Mehrarbeit" muss also stets im jeweiligen arbeitsrechtlichen Kontext bewertet werden:
7.1 Arbeitszeitgesetz
Das Arbeitszeitgesetz verwendet den Begriff der Mehrarbeit gar nicht. Alle im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geleisteten Arbeitszeiten sind zunächst gleichwertig; einen Anspruch auf Zuschläge für bestimmte Arbeitszeitdauern kennt das deutsche Arbeitszeitschutzrecht nicht. Arbeitszeiten oberhalb der gesetzlichen "Normalarbeitszeit" von werktäglich (Montag bis Samstag) 8 Stunden – man mag insoweit von "gesetzlicher Mehrarbeit" sprechen – sind dabei innerhalb der arbeitszeitgesetzlich vorgegebenen Ausgleichszeiträume durch entsprechende Freizeit auszugleichen.
7.2 Arbeitsvertrag
Vertrauensarbeitszeit schließt Ansprüche auf Vergütung von Mehrarbeit nicht generell aus. Kann der Arbeitnehmer aufgrund des Umfangs der vom Arbeitgeber zugewiesenen Arbeit zeitliche Mehrleistungen im Rahmen eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung nicht ausgleichen, sind diese grundsätzlich zu vergüten. Der Arbeitnehmer trägt dabei allerdings die Beweislast und muss darlegen, wann und wofür er die Arbeitsstunden geleistet hat. In diesem Fall kann die Vereinbarung von Mehrarbeit ein Element der Bewältigung von Überlastsituationen sein. Dabei empfiehlt es sich, eventuell erforderliche Mehrarbeit als zusätzliches "Arbeitszeitbudget" beispielsweise für bestimmte (Sonder-)Aufgaben, etwa im Rahmen von Projekten, zu vereinbaren. Dies kann zugleich die vorübergehende Erfassung der Arbeitszeit erforderlich machen, wenn die innerhalb eines solchen Zusatz-Arbeitszeitbudgets geleistete Mehrarbeit nicht pauschaliert vergütet wird.
7.3 Betriebliche Mitbestimmung
Die im Rahmen betrieblicher Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit enthaltenen Vorgaben zur Verteilung der Arbeitszeit unterliegen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates (z. B. täglicher/wöchentlicher Arbeitszeitrahmen, Vorgaben zu Service- und Funktionszeiten, Pausen etc.).
Dem Betriebsrat steht im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Mitbestimmung bei der Einführung technischer Einrichtungen) kein Initiativrecht zur Einführung einer (elektronischen) betrieblichen Zeiterfassung zu. Allerdings hat er gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Mitbestimmung bei Regelungen zum Gesundheitsschutz) bei der Ausgestaltung der vom Arbeitgeber vorzunehmenden Zeiterfassung mitzubestimmen, wenn diese mithilfe technischer Einrichtungen erfolgt.
Auch die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen zur Mitbestimmung des Betriebsrats kennen den Begriff der "Mehrarbeit" nicht. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt die "vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit" der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieser Mitbestimmungstatbestand wird nicht selten als "Mehrarbeits-Mitbestimmungsrecht" bezeichnet.
Das bedeutet, dass – unabhängig vom Arbeitszeitmodell – die Heranziehung von Arbeitnehmern außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. Für Arbeitnehmer in Vertrauensarbeitszeit, die ihre Arbeitszeit meist innerhalb eines täglichen Arbeitszeitrahmens verteilen können, wären also Arbeitsleistungen außerhalb des Arbeitszeitrahmens (z. B. am Wochenende) mitbestimmungspflichtig, wenn diese als zusätzliches Arbeitszeitvolumen erbracht werden. Sofern Arbeitsleistungen außerhalb des täglichen Arbeitszeitrahmens regelmäßig erforderlich werden, empfiehlt es sich, die entsprechenden Anlässe und/oder Rahmenbedingungen (z. B. Regelungen zu Freizeitausgleich oder Vergütung) bereits in der betrieblichen Arbeitszeitregelung festzulegen, um ein Mitbestimmungsverfahren im Einzelfall zu erübrigen. Gegebenenfalls kommt insoweit auch ein erweiterter Arbeitszeitrahmen in Betracht, um derartige (regelhafte) Arbeitszeitbedarfe als "normale" (regelmäßige) Arbeitszeit im Rahmen der Verteilung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu regeln. Dienstreisen außerhalb der festgelegten Arbeitszeit bzw. des Arbeitszeitrahmens lösen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, soweit während der Dienstreise nicht gearbeitet werden muss.
Soweit im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit auch außerhalb des betrieblichen Arbeitsplatzes gearbeitet werden kann (mobile Arbeit), ist die Ausgestaltung der mobilen Arbeit im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 14 ArbZG ebenfalls mitbestimmungspflichtig.