Leitsatz

  • Vereinbarte "Zwangsvertretung" aller in der EV nicht anwesenden Eigentümer durch den Verwalter(?)

    Auch "einstimmiger" Beschluss (hier: zur Kostenverteilung einer Außenfenster-Sanierung zu Lasten der einzelnen Eigentümer) führt nicht zu einer Vereinbarung im Sinne des § 10 WEG

 

Normenkette

§ 10 WEG, § 23 WEG, § 25 WEG

 

Kommentar

1. Vorliegend war in der Gemeinschaftsordnung dieser Anlage u.a. vereinbart, "dass die Vertretung der Eigentümer, die nicht anwesend und nicht anderweitig vertreten seien, vom Verwalter ausgeübt werde".

So wurde vorliegend ein Abstimmungsergebnis lt. Versammlungsprotokoll mit "einstimmig" (hier: zur Kostenverteilung im Rahmen einer größeren Fenstersanierung) vermerkt.

2. Zu Recht ging bereits das LG davon aus, dass eine in Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung geschlossene Regelung über die Kosten- und Lastenverteilung des gemeinschaftlichen Eigentums (Fenster) grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer geändert werden könne, eine solche Vereinbarung aber hier nicht vorliege.

Eine Vereinbarung setzt ein einheitliches Handeln aller Eigentümer voraus; in dieser Versammlung waren jedoch nicht alle Eigentümer anwesend oder aufgrund zuvor erteilter Vollmachten vertreten, vielmehr waren 424,58/1000 Miteigentumsanteile "nur" nach der vorzitierten Vereinbarung in der Teilungserklärung durch den Verwalter vertreten.

Ob überhaupt eine solche Vereinbarungspassage einer rechtlichen Kontrolle standhält (bejahend: OLG Frankfurt, OLGZ 86, 45; Staudinger/Bub, 12. Aufl., Rn. 54 zu § 25 WEG), kann dahinstehen, denn auch bei unterstellter Wirksamkeit einer solchen Vertretungsvereinbarung bezüglich abwesender Eigentümer durch den Verwalter, erstrecke sich die Vertretungsbefugnis des Verwalters jedenfalls nicht auf Regelungen, die grundsätzlich einer Vereinbarung aller Eigentümer bedürften; eine solche "Zwangsvertretung"abwesender Wohnungseigentümer durch den Verwalter könne allenfalls insoweit im Interesse einer Gemeinschaft liegen, als - wie das OLG Frankfurt ausgeführt hat - die Beschlussfähigkeit schon der ersten Eigentümerversammlung gewährleistet werden sollte.

3. Das Anfechtungsrecht des Beschlusses war im vorliegenden Fall auch nicht "verwirkt", zumal in früheren Versammlungen gerade bezüglich der Kostenverteilung zu bereits diskutierten Fenstersanierungen keine Einigung erzielt worden sei. Daher konnte nicht angenommen werden, dass sich die Beteiligten berechtigtermaßen darauf eingerichtet hätten und darauf hätten einrichten dürfen, dass eine Änderung der in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Kostenverteilung von allen Eigentümern akzeptiert werde. Auch die bisherige Praxis, wonach bei bereits durchgeführten Fenstersanierungen die jeweiligen Eigentümer die dabei anfallenden Kosten für die Fenster ihrer Wohnung selbst getragen hätten, stelle nicht eine geänderte "Vereinbarung" der hier in der Teilungserklärung geregelten Kostenverteilung dar.

4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Wert des Beschwerdegegenstandes von DM 50.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.04.2000, 3 Wx 425/99)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer 

Anmerkung:

1. Die Begründungspassage dieser Entscheidung unter Ziff. II.2.b auf S. 7 der Entscheidungsgründe wurde offensichtlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, blieb also überraschend frei (wohl nicht als tragend oder entscheidungserheblich angesehen).

2. Es sollte allerdings - wie von mir seit Jahren gefordert - stets zwischen "einstimmigen" und "allstimmigen" Beschlüssen unterschieden werden. Geht man in beiden Fällen nach Inhalt und Gegenstand der Willensentscheidung der Eigentümer tatsächlich von einem Beschluss aus (Abgrenzungen zu schuldrechtlichen Vereinbarungen bei "allstimmiger" Zustimmung sind hier m.E. nach wie vor oftmals strittig), hat ein einstimmiger Beschluss in (beschlussfähiger) Versammlung die gleichen Beschlusswirkungen wie auch ein allstimmiger Beschluss. Beide Abstimmungsfolgen (Beschluss-Mehrheit bzw. Zustimmung aller 100% Eigentümer) sind grundsätzlich Beschlüsse, die auch wieder durch neuerliche Beschlüsse (wenn auch vielleicht unter Vertrauensgesichtspunkten anfechtbar) - im Regelfall sogar mehrheitlich - geändert oder aufgehoben werden könnten.

Sicher ist ein Beschluss (selbst bei allstimmiger Antragszustimmung) keine Vereinbarung im Sinne des § 10 WEG, im Regelfall sicher auch keine - gewollt - schuldrechtliche Vereinbarung im Sinne eines Vertrages aller augenblicklicher Eigentümer, d.h. im Rahmen eines synallagmatischen schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses.

Geht man deshalb zu Recht im vorliegenden Fall von einem Beschluss (im Sinne eines sog. Zitterbeschlusses) aus, konnte dieser auch angefochten und berechtigtermaßen für ungültig erklärt werden. Nicht jeder, auch allstimmig gefasste Beschluss wird - wie erwähnt - zu einer "Vereinbarung", weder in schuldrechtlichem noch verdinglichtem Sinne. Auch eine bisherige langjährige Kostenverteilungs- bzw. (hier) Fenstersanierun...

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