1 Leitsatz
Der Verwalter darf keine nichtigen Beschlüsse durchführen. Tut er es doch, schuldet er Schadensersatz.
2 Normenkette
WEG §§ 27 Abs. 1 Nr. 1, 28
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer erteilen durch Beschluss Verwalter V Entlastung. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. K wirft V vor, dazu beigetragen zu haben, dass ein nichtiger Beschluss gefasst und umgesetzt wurde. Die beklagten Wohnungseigentümer meinen, ein Verwalterentlastungsbeschluss sei so wichtig, "wie ein in China umgefallener Sack Reis". K sei so beliebt "wie der Schnupfen beim Rundfunksprecher". Den Beschluss hätten im Übrigen die Wohnungseigentümer gefasst, nicht V. Der Beschlussvorschlag sei nicht auf V, sondern auf eine Vorlage des jetzigen Beklagtenvertreters und eines Architekten zurückgegangen. Kein Verwalter müsse rechtskundiger sein als ein Rechtsanwalt. Offensichtlich wolle K dem V nur "am Zeug flicken".
Entscheidung
Das Amtsgericht (AG) gibt ungeachtet des Wütens der beklagten Wohnungseigentümer dem Wohnungseigentümer K Recht. Denn V habe einen nichtigen Beschluss umgesetzt. Dies stelle einen objektiven Pflichtenverstoß dar. Denn Verpflichtung und Berechtigung des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG beziehe sich nicht auf nichtige Beschlüsse. Führe der Verwalter einen nichtigen Beschluss durch, könne er bei Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Hinweis
Der Fall bietet u. a. Anlass, über die Entlastung und die Pflichten des Verwalters bei der Durchführung von Beschlüssen zu rekapitulieren und zu erinnern:
- Der Begriff "Entlastung" ist die dem Vereins- und Gesellschaftsrecht entstammende, im WEG nicht normierte, durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgende Billigung der zurückliegenden Amtsführung des Verwalters im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, den Vereinbarungen und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Die Wohnungseigentümer sprechen ihm hierdurch zugleich für die zukünftige Tätigkeit ihr Vertrauen aus. Mit der Entlastung sind i. d. R. die Folgen eines negativen Schuldanerkenntnisses verbunden. Über die Entlastung des Verwalters kann nach § 21 Abs. 3 WEG mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluss muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn Ersatzansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen, etwa bei greifbaren Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Verwalters. Anders ist es nur, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die Ansprüche zu verzichten.
- Der jeweilige Amtsträger muss von Amts wegen grundsätzlich jeden Beschluss, nach Sinn und Zweck der Regelung aber auch jede wirksame Vereinbarung, zeitnah, in der Regel unverzüglich, durchführen. Unerheblich ist, ob der durchzuführende Beschluss angefochten wurde, es sei denn, der Verwalter selbst ist der Kläger. Nur in einigen Fällen ist ein Beschluss nicht durchzuführen. So liegt es, wenn beschlossen ist, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht durchgeführt werden soll. Durchführbar sind ferner nur in sich klare Bestimmungen. Unbestimmte Beschlüsse sind daher undurchführbar. Der Verwalter ist auch nicht befugt, einem unbestimmten Beschluss einen (durchführbaren) Inhalt zu geben und ihn erst bestimmt zu machen. Ein Verwalter kann die Durchführung eines Beschlusses auch dann verweigern, wenn ihm die nötigen Mittel zur Durchführung nicht bereitgestellt werden. Die Erteilung von Aufträgen entspricht nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Aufbringung der Mittel gesichert ist. Dieses kommt vor allem bei Erhaltungsmaßnahmen für das gemeinschaftliche Eigentum, aber auch bei Kaufverträgen in Betracht. Ein Beschluss ist auch dann nicht (mehr) durchzuführen, wenn er rechtskräftig für ungültig erklärt ist oder, wenn er – wie es das AG im Fall annimmt – "erkennbar" nichtig ist. Ob der Verwalter eine Beschlussdurchführung schließlich auch unter Hinweis auf seine Legalitätspflicht verweigern darf, ist offen. Nach hier vertretener Auffassung ist er zur Umsetzung eines Beschlusses nicht verpflichtet, wenn die Umsetzung einen Verstoß gegen geltendes Recht zur Folge hätte.
3 Link zur Entscheidung
AG München, Urteil v. 16.1.2019, 485 C 15894/18 WEG