Leitsatz
Jeder stimmberechtigte Eigentümer muß vor der Genehmigung der Jahresgesamtabrechnung der Wohnungseigentumsanlage und der Einzelabrechnungen aller betroffenen Eigentümer die Möglichkeit der sachgerechten Vorprüfung aller Gegenstände der bevorstehenden Beschlußfassung haben. In diesem Zusammenhang muß ausreichend Gelegenheit bestehen, auch die Einzelabrechnungen der übrigen Miteigentümer zu überprüfen. Ungenügend ist es dabei, wenn nur die Möglichkeit besteht, die Abrechnungen im Verwalterbüro einzusehen oder der Ordner mit den Unterlagen lediglich während der Versammlung auf dem Tisch vor dem Versammlungsleiter ausliegt.
Sachverhalt
Die Eigentümer einer Wohneigentumsanlage hatten in einer Eigentümerversammlung den Beschluß über die Jahresrechnung zu fassen. Einige Eigentümer fechten nun diesen Beschluß an. Sie sind der Auffassung, dieser sei ungültig, da sie keine Einsicht in die Unterlagen über einzelne Abrechnungen von Miteigentümern gehabt hätten. Aus diesem Grund habe der Beschlußgegenstand nicht eindeutig festgestanden.
Entscheidung
Die Beschlußfassung über die Gesamtabrechnung in der Eigentümerversammlung war fehlerhaft. Dieser Beschluß bezieht sich nicht nur auf die Jahresgesamtabrechnung der Wohnungseigentumsanlage, sondern auch auf die Einzelabrechnungen der betroffenen Eigentümer. Diese werden mit diesem Beschluß nämlich ebenfalls genehmigt. Die Wohnungseigentümer müssen daher auch hinreichend Gelegenheit haben, sämtliche Abrechnungsunterlagen und insbesondere Einzelabrechnungen einzusehen.
Dies scheint einleuchtend, betrifft doch jede Einzelabrechnung auch alle anderen Wohnungseigentümer. Jeder stimmberechtigte Eigentümer muß also die Möglichkeit haben zu kontrollieren, ob in den einzelnen Abrechnungen der anderen Wohnungseigentümer zu hohe Guthaben oder aber zu niedrige Nachzahlungen zu Lasten der Gemeinschaft und somit auch zu Lasten jedes einzelnen Eigentümers eingesetzt sind.
Weitere Konsequenz fehlerhafter Einzelabrechnungen kann es sein, daß diese im nachhinein nicht mehr berichtigt werden können. Ist nämlich der hierüber gefaßte Beschluß bestandskräftig, ist eine Korrektur nicht mehr möglich. Daher muß den Eigentümern vor der Beschlußfassung auch ausreichend Gelegenheit gegeben werden, den Beschlußgegenstand zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich weniger das mangelnde Vertrauen den Miteigentümern gegenüber als vielmehr der Fehlerteufel, der sich in der Praxis häufig einschleicht und sich in der Tat negativ auf Einzelabrechnungen und somit auf die Gemeinschaft auswirken kann.
Dem Recht der einzelnen Wohnungseigentümer auf hinreichende Einsicht in die Unterlagen, korrespondiert nun die entsprechende Pflicht des Verwalters, eine solche zu gewähren. Dieser im Rahmen seiner Abrechnungsaufgaben bestehenden Verpflichtung kommt er nur dann hinreichend nach, wenn er eine möglichst effektive und zumutbare Kontroll- bzw. Einsichtsmöglichkeit für die Wohnungseigentümer schafft.
Der Verwalter genügt seiner Auskunftspflicht nicht bereits dadurch daß er die erforderlichen Unterlagen zur Einsichtnahme in seinem Büro bereithält. Grundsätzlich müssen Auskünfte dort gegeben werden, wo sie benötigt werden und dies ist im Rahmen einer Beschlußfassung die Eigentümerversammlung. Der Ort der Verwaltung ist hierfür ein ungeeigneter Platz, da es bereits für einzelne Wohnungseigentümer unzumutbar sein dürfte, längere Wege auf sich zu nehmen, um Einsicht in die Unterlagen nehmen zu können.
Der Verwalter konnte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die Unterlagen bei der Eigentümerversammlung auch tatsächlich bei sich gehabt zu haben. Diese hätten zur jederzeitigen Einsicht vor ihm auf dem Tisch gelegen. Dieses Argument mußte bereits deshalb unberücksichtigt bleiben, da der Verwalter zu keinem Zeitpunkt in der Eigentümerversammlung auf diesen Umstand hingewiesen hatte. Die Wohnungseigentümer konnten dies also nicht wissen. Unabhängig hiervon hätte dies wohl auch für sich genommen nicht genügt, um ein ausreichendes Einsichtsrecht zu gewährleisten. Nicht zu vergessen ist, wie bereits erwähnt, daß Einsicht in einem ausreichenden Zeitabstand vor der Versammlung gewährt werden muß.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Beschluss vom 04.06.1997, 16 Wx 87/97
Fazit:
Dem Verwalter steht selbstverständlich ein Gestaltungsrecht dergestalt zu, wie er denn nun dem einzelnen Wohnungseigentümer Einsicht in die zur Beschlußfassung erforderlichen Unterlagen gewährt. An genaue Vorgaben ist er hierbei nicht gebunden. Wichtig ist dabei aber immer der Aspekt der Zumutbarkeit. Jedem einzelnen Wohnungseigentümer müssen die Unterlagen in einer für ihn zumutbaren Weise zur Kenntnis gegeben werden.
Bei kleineren Wohnungseigentumsgemeinschaften kann es dabei durchaus praktikabel sein, die Gesamtabrechnung inklusive der Einzelabrechnungen den einzelnen Wohnungseigentümern vorab zur Prüfung zukommen zu lassen.