Leitsatz
Wenn der Verwalter verkennt, dass eine Beschlussfassung vom angekündigten Tagesordnungspunkt (TOP) nicht mehr gedeckt ist, so muss dies nicht auf grobem Verschulden beruhen.
Wird ein Beschlussantrag aus den Reihen der Wohnungseigentümer im Anschluss an eine Diskussion formuliert, der entweder gerade noch oder nicht mehr hinreichend bestimmt gefasst ist, so handelt der gewerbliche Verwalter nicht grob fahrlässig, wenn er nicht sofort eine "rechtliche Ad-hoc-Bewertung" vornimmt.
Normenkette
WEG § 49 Abs. 2
Das Problem
Verwalter V wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung, wonach er gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Mit Erfolg!
Die Entscheidung
Das Amtsgericht (AG) habe V zu Unrecht gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits auferlegt; diese seien gem. § 91 Abs. 1 ZPO von den Beklagten als unterlegener Prozesspartei zu tragen.
Schilderung der Grundsätze
Gemäß § 49 Abs. 2 WEG könnten einem Verwalter Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst worden sei und ihn ein grobes Verschulden treffe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eröffne die Norm dem Gericht aus prozessökonomischen Gründen die Möglichkeit, dem Verwalter Kosten des Rechtstreits aufzuerlegen, wenn die §§ 91ff. ZPO hierfür keine Handhabe böten, die Tätigkeit des Gerichts aber durch den Verwalter veranlasst worden sei und ihn ein grobes Verschulden treffe. § 49 Abs. 2 WEG erlaube damit, den materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch des unterlegenen Wohnungseigentümers wegen der Verletzung von Pflichten bei der Verwaltung im Rahmen der Kostenentscheidung durchzusetzen. Ob das Gericht hiervon Gebrauch mache, liege in seinem Ermessen (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 7.7.2016, V ZB 15/14, ZMR 2017 S. 406 Rn. 8).
Anwendung der Grundsätze
- Im Fall könne dahinstehen, ob die Tätigkeit des Gerichts durch V veranlasst worden sei – wobei dieser den von ihm erhobenen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens hätte beweisen müssen. Jedenfalls fehle es an dem erforderlichen groben Verschulden des V. Unter einem groben Verschulden i.S.v. § 49 Abs. 2 WEG seien Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit zu verstehen. Letztere setze voraus, dass der Handelnde die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet habe, was jedem hätte einleuchten und sich aufdrängen müssen. Es müsse sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln, wobei generell an einen erfahrenen Berufsverwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit höhere Anforderungen zu stellen seien als an einen nicht professionell tätigen Verwalter aus der Reihe der Wohnungseigentümer (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 7.7.2016, V ZB 15/14, ZMR 2017 S. 406 Rn. 23).
- Im Fall fehle es an einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhalten des V. Ausweislich seines Einladungsschreibens habe er eine Diskussion und Beschlussfassung über erforderliche Arbeiten an der Tiefgaragendecke sowie die Finanzierung der Maßnahme angekündigt. Im Rahmen der Diskussion sei sodann von den Wohnungseigentümern der schließlich zur Abstimmung gestellte Beschlussantrag formuliert worden. Das AG sehe das grobe Verschulden darin, dass V die Wohnungseigentümer nicht auf die Risiken einer Beschlussfassung über einen spontan aus der Versammlung heraus formulierten und damit ggf. nicht hinreichend bestimmten Beschlussantrag hingewiesen habe, der zudem nicht im Einladungsschreiben angekündigt worden sei.
- Damit überdehne das AG die Pflichten des Verwalters, auch wenn es sich bei diesem – wie hier – um einen gewerblich handelnden Verwalter handele. In Bezug auf die Frage der Bestimmtheit des Beschlusses sei es nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Verwalter versehentlich einen unbestimmten Beschluss fassen lasse (Hinweis auf Lehmann-Richter in Staudinger, Neubearbeitung 2018, § 49 WEG Rn. 54). Dass V die Wohnungseigentümer wissentlich und willentlich in das Anfechtungsverfahren habe laufen lassen, obwohl er die Unbestimmtheit des Beschlusses oder dessen nicht hinreichende Ankündigung positiv erkannt hatte, sei nicht ersichtlich.
- Entgegen der AG-Auffassung sei dem Verwalter in der Regel auch keine "rechtliche Ad-hoc-Stellungnahme" abzuverlangen, ob ein Beschluss nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gerade noch oder nicht mehr hinreichend bestimmt ist. Dies gelte umso mehr, wenn der Beschluss auf einen früheren Beschluss, den die Wohnungseigentümer 20 Jahre zuvor gefasst hatten, Bezug nehme. Dieses Verhalten könne unter bestimmten Umständen zwar den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen, nicht aber den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.
- Im Hinblick auf die vom AG erkannte nicht hinreichende Ankündigung der Beschlussfassung zu TOP 4 fehle es ebenfalls an einem groben Verschulden. Auch insoweit stelle es für die Frage des Vorwurfs der groben Fahrlässigkeit einen erheblichen Unterschied dar, ob der Verwalter in dem Ein...