Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 5 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG, § 276 BGB, § 15 FGG, § 253 Abs. 2 ZPO, § 412 Abs. 1 ZPO
Kommentar
1. Für Schadenersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen einen ausgeschiedenen Verwalter sind die Wohnungseigentumsgerichte zuständig (h. R. M.).
2. Wird einem Wohnungseigentümer, der zugleich Verwalter ist, durch Eigentümerbeschluss"das Mandat" erteilt, einen "Musterprozess" wegen Schadenersatzansprüchen gegen den ausgeschiedenen Verwalter zu führen, können die Voraussetzungen (hier bejaht) einer Verfahrensstandschaft gegeben sein. Das erforderliche eigene rechtliche Interesse des antragstellenden Verwalters ergibt sich daraus, dass er Verwalter und zugleich Wohnungseigentümer ist (vgl. schon BayObLG Z 1988, 271/272).
3. An die Bestimmtheit eines Antrags in WE-Sachen sind geringere Anforderungen zu stellen, als nach der ZPO. Das Gericht hat im Wege der Auslegung den wirklichen Willen des Antragstellers zu erforschen und ihm durch eine sachgerechte Entscheidung Rechnung zu tragen. Bei einem Leistungsantrag kann dem Antragsteller jedoch nicht mehr oder etwas ganz anderes zugesprochen werden, als von ihm begehrt. Berücksichtigen muss das Gericht auch, dass eine Entscheidung der Vollstreckung zugänglich sein muss.
4. Der Verwalter haftet Wohnungseigentümern auf Schadenersatz wegen positiver Vertragsverletzung des Verwaltervertrages, wenn er es schuldhaft unterlässt, die Wohnungseigentümer auf Baumängel vor Ablauf der Gewährleistungsfrist hinzuweisen (hier: zu Balkonschäden). Die Hinweispflicht entfällt nur dann, wenn allen Wohnungseigentümern die Baumängel bereits bekannt sind. Da es in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer selbst ist, für die Behebung von Baumängeln zu sorgen, beschränkt sich die Verpflichtung des Verwalters grundsätzlich darauf, a) Baumängel festzustellen, b) die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und c) eine Entscheidung der Eigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Verletzt der Verwalter diese Verpflichtung schuldhaft und hat dies zur Folge, dass Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer verloren gehen, haftet der Verwalter für den dadurch Wohnungseigentümern entstandenen Schaden aus sog. "positiver Vertragsverletzung (pVV)." [Vgl. bereits BayObLG, Entscheidung v. 25. 6. 1987, Az.: BReg 2 Z 39/86].
5. Welche Anforderungen an Sorgfaltspflichten des Verwalters zu stellen sind, beurteilt sich auch danach, ob der Verwalter auf bestimmten Gebieten besondere Sachkunde hat (Sorgfaltsmaßstab nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vorliegend dürfte berücksichtigt werden, dass der Antragsgegner als Verwalter zugleich als Bauträger tätig geworden ist und über eine eigene Bauabteilung verfügt, also besondere Fach- und Sachkenntnisse besitzt. Die Mängel waren hier für den Verwalter erkennbar.
6. Auch widersprechende Sachverständigengutachten zwingen ein Gericht nicht dazu, ein weiteres (Ober)Gutachten einzuholen ( § 15 Abs. 1 S. 1 FGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Es ist vielmehr Sache des Gerichts, sich im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung dafür zu entscheiden, welchem Gutachten es den Vorzug gibt; allerdings muss die Entscheidung nachvollziehbar begründet werden.
Von einer Entlastung des Verwalters werden nur solche Vorgänge erfasst, die bei der Beschlussfassung bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren. Als erkennbar sind solche Vorkommnisse zu verstehen, die bei sorgfältiger Prüfung aller der Wohnungseigentümerversammlung gemachten Vorlagen und erstatteten Berichte erkennbar waren. Da eine Entlastung von allen Wohnungseigentümern insgesamt erteilt wird, ist hier wiederum auf den Kenntnisstand aller Eigentümer abzustellen, nicht auf den einzelnen Eigentümer, die etwa über besondere Sachkunde verfügen.
Zur Schadenersatzanspruchsstellung waren die jetzigen Eigentümer befugt; die Anspruchslage ging bei Eigentumswechsel stillschweigend auf die Rechtsnachfolger über.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.08.1989, BReg 2 Z 40/89)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung