Leitsatz
Geschiedene Eltern stritten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames minderjähriges Kind. Das AG hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen. Gegen den ihm am 12.3.2007 zugestellten Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts hat der Vater rechtzeitig befristete Beschwerde eingelegt und zugleich darauf hingewiesen, dass die Begründung seines Rechtsmittels einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe.
Nach Ablauf der Begründungsfrist hat das OLG die Beschwerde als unzulässig verworfen, da sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Dieser Beschluss wurde dem Kindesvater am 4.6.2007 zugestellt. Am 14.6.2007 beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist, begründete die Beschwerde und beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
Das Beschwerdegericht teilte ihm daraufhin mit, dass über das Wiedereinsetzungsgesuch wegen der bereits verworfenen Berufung nicht mehr entschieden werde. Daraufhin erhob der Vater gegen den Verwerfungsbeschluss Rechtsbeschwerde.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 621e Abs. 3 S. 2, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO für statthaft und auch zulässig, weil die angefochtene Entscheidung den Vater in seinen Verfahrensgrundrechten verletze. Dieser Umstand erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde stehe nicht entgegen, dass noch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausstehe. Dem die Beschwerde verwerfenden Beschluss werde im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung die Grundlage entzogen, damit werde er gegenstandslos (BGH v. 9.2.2005 - XII ZB 225/04, BGHReport 2005, 874 = FamRZ 2005, 791, 792; v. 10.5.2006 - XII ZB 42/05, BGHReport 2006, 1119 = MDR 2006, 1363 = NJW 2006, 2269).
Das Beschwerdegericht wäre deswegen entgegen der von ihm vertretenen Rechtsauffassung nicht gehindert gewesen, über den Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden. Dieser Umstand stehe einem Rechtsschutzbedürfnis des Vaters jedoch nicht entgegen, weil die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung unabhängig von der zu bewilligenden Wiedereinsetzung schon bei Verletzung der Verfahrensgrundrechte Erfolg habe und das Beschwerdegericht ausdrücklich eine Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt habe.
Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde auch für begründet.
Zwar sei im Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den das Rechtsmittel mangels rechtzeitig eingegangener Begründung verwerfenden Beschluss die Frage der Wiedereinsetzung nicht zu prüfen, so dass der Vater im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen könne, die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist habe auf einem der Partei nicht zurechenbaren Verschulden beruht.
Die Rechtsbeschwerde sei aber schon deswegen begründet, weil das Beschwerdegericht den Vater vor seiner Entscheidung nicht angehört und damit dessen Verfahrensrecht auf rechtliches Gehör verletzt habe.
Zwar sehe § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO für den Fall der Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folge nach ständiger Rechtsprechung des BGH indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (BGH v. 13.7.2005 - XII ZB 80/05, MDR 2006, 44 = BGHReport 2005, 1470 = NJW-RR 2006, 142).
Auch der Umstand, dass der Vater sich vorbehalten hatte, die Beschwerdebegründung in einem gesonderten Schriftsatz innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist nachzureichen, hätte das Beschwerdegericht nicht veranlassen dürfen, von seiner Anhörung abzusehen. Der Kindesvater habe ausdrücklich deutlich gemacht, dass er beabsichtigte, die Beschwerde noch gesondert zu begründen.
Dies habe die Notwendigkeit, den Prozessbevollmächtigten des Kindesvaters auf den fehlenden Eingang der Beschwerdebegründung hinzuweisen, nicht entfallen lassen, sondern hätte vielmehr zusätzlich Anlass für einen solchen Hinweis geben müssen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 15.08.2007, XII ZB 101/07