Vgl. AG München zfs 2017, 149 m. Anm. Diehl
1. Die wachsende Verbreitung von Dashcams im Straßenverkehr mit dem Ziel der Aufklärung von Verkehrsunfällen zugunsten des Betreibers der Kamera hat zu Entscheidungen, Stellungnahmen im Schrifttum und vor allem zu Erörterungen im Rahmen eines Arbeitskreises des 54. Verkehrsgerichtstages (VGT) geführt.
Aus der Sicht des Geschädigten, der sich anspruchsberechtigt wähnt, und des Gerichts erscheint eine Videoaufnahme ein geeigneter Weg zur Feststellung des Sachverhalts und damit zu dessen Beurteilung zu sein. Gegenstand des Rechtsstreits wird die Videoaufnahme durch einen Antrag des Beweisführers auf Einholung des Augenscheins gem. § 371 Abs. 1 ZPO. Auch ohne Antrag einer Partei kann die Einholung des Augenscheins angeordnet werden, § 144 ZPO. Die Überlegenheit des Augenscheins gegenüber dem Beweiswert anderer Beweismittel zeigt sich darin, dass der mit dem Augenschein geführte unmittelbare Beweis anders als etwa der Zeugenbeweis weniger Fehlerquellen aufweist (vgl. BGH MDR 1961, 249; KG NJW 1980 894). Da häufig auch Aknüpfungstatsachen zur Erstattung eines unfallanalytischen Gutachtens fehlen, erweist sich die Einholung des Augenscheins auch gegenüber diesem Beweismittel in seinem Beweiswert als überlegen.
2. Die der Dashcam bei zuässigem Einsatz als Augenscheinsobjekt damit zukommende Rolle als "smarter Joker im Beweispoker" (Lohse in VGT Bd. 54 S. 169) wäre nur dann gefährdet, wenn durchgreifende Bedenken gegen die Verwertung des Videofilmes beständen. Solche Verwertungsverbote hat der Senat mit Recht verneint (Rn 30–72). Die von dem LG München (Hinweisbeschluss vom 14.10.2016 – 17 S 6473/16) angesprochene Erwägung, wonach es für die Verwertarkeit der Video-Aufnahme darauf ankomme, ob eine permanente oder anlassbezogene Aufzeichnung stattgefunden habe ist von dem Referenten des 54. VGT aufgegriffen worden (Nugel, S. 221 ff.), da in der Regel bei anlassloser Aufnahmetätigkeit ein Überschreiben bisherige Aufnahmen löscht, dürften deshalb Bedenken gegen die Verwertbarkeit nicht bestehen. Für die Verwertbarkeit der Videoaufnahme spricht auch die Erwägung, dass der Unfallgegner keinen Schutz vor der Offenlegung etwaigen Fehlverhaltens im Straßenverkehr verdient, da er nicht darauf vertrauen darf, dass seine Teilnahme am Straßenverkehr unter einer Tarnkappe – verfassungsrechtlich gesichert – statfindet (vgl. Greger NZV 2015, 134, 136).
3. Die überzeugenden Erörterungen des OLG Nürnberg zur grundsätzlichen Verwertbarkeit von Videoauffnahmen im Straßenverkehr und die weit überwiegende Zahl von Entscheidungen auf der gleichen Linie (Rn 30) geben derzeit einen Trend wieder, der es jedenfalls verbietet, dass einem Beweisantrag auf Augenscheinseinnahme in eine Videoaufnahme zur Klärung eines Verkehrsunfalls nicht stattgegeben wird. Darin läge eine Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. Greger NZV 2015 134, 136). … “
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 1/2018, S. 21 - 28