Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisepapieren. „Kopftuchzwang”. Ausländerrechts. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

 

Normenkette

AuslG §§ 40, 70 Abs. 4; GG Art. 4 Abs. 1-2

 

Tenor

1. Die Verwaltungsstreitsachen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Anträge werden abgelehnt.

3. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird bis zur Verbindung auf je 4.000,– DM, nach Verbindung auf insgesamt 8.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerinnen sind abgelehnte Asylbewerber aus Iran, die seit 24. April 1999 ausreisepflichtig sind.

Mit Schreiben vom 2. August 1999 und 20. September 1999 wurde die Antragstellerin zu 1), die Mutter der Antragstellerin zu 2), innerhalb einer Frist bis zum 2. September 1999 bzw. bis 6. Oktober 1999 aufgefordert nachzuweisen, daß sie sich intensiv um die Ausstellung eines Passes oder Paßersatzes für sich und die Antragstellerin zu 2) bemüht habe und sie wurde unter anderem zur Vorlage von vier Paßbildern mit Kopftuch für sich und ihre Tochter aufgefordert.

Dieser Aufforderung sind die Antragstellerinnen nicht nachgekommen.

Am 8. Oktober 1999 erließ die Stadt Nürnberg gegenüber der Antragstellerin zu 1) folgenden Bescheid:

  1. Sie sind verpflichtet, bis zum 26. November 1999 der Ausländerbehörde Nürnberg einen gültigen Paß bzw. Paßersatz vorzulegen.
    1. Sollten Sie über ein solches Dokument nicht verfügen, haben Sie binnen gleicher Frist bei der Botschaft ihres Heimatstaates während der Geschäftszeiten persönlich vorzusprechen und einen zur Rückkehr in Ihre Heimat berechtigenden Paß bzw. Paßersatz (Heimreisedokument) zu beantragen.
    2. Sie haben das ausgestellte Heimreisedokument binnen der genannten Frist der Ausländerbehörde zu übergeben.
    1. Für den Fall, daß Sie binnen der genannten Frist weder der Ausländerbehörde ein Heimreisedokument vorlegen noch ihr gegenüber den Nachweis erbringen, daß Sie bei der Botschaft Ihres Heimatlandes persönlich vorgesprochen und ein Heimreisedokument beantragt haben, wird Ihnen die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft der Islamischen Republik Iran oder falls die Vertretung der Islamischen Republik Iran Außentermine in Bayern oder anderen Bundesländern abhält, am Ort des Außentermins statt am Sitz der Vertretung angedroht.
    2. Es wird Ihnen außerdem auferlegt, alle von den iranischen Behörden geforderten Unterlagen für die Ausstellung eines Ausweisdokumentes bei der Ausländerbehörde Nürnberg bis 30. November 1999 vorzulegen, um ein für Ihre Person auszustellendes Ausweisdokument anfordern zu können. Dazu ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Lichtbilder weiblicher Ausweisbewerber zurückgewiesen werden, wenn die Person ohne Kopftuch abgebildet ist.
    1. Für den Fall, daß die iranische Vertretung die Ausstellung eines Heimreisedokuments wegen fehlender iranischer Staatsangehörigkeit ablehnt, wird Ihnen die zwangsweise Vorführung bei Vertretungen weiter Staaten, deren Staatsangehörigkeit Sie vermutlich besitzen, angedroht. Falls die jeweilige Auslandsvertretung Außentermine in Bayern oder anderen Bundesländern abhalten, wird Ihnen die Vorführung am Ort des Außentermins statt am Sitz der Vertretung angedroht.
    2. Für den Fall, daß die erforderlichen Lichtbilder nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form vorgelegt werden, wird Ihnen ab 1. Dezember 1999 die zwangsweise Vorführung bei einem Fotografen angedroht.
  2. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wird angedroht.
  3. Kostenentscheidung ….

Bezüglich der Antragstellerin zu 2) enthält der Bescheid der Stadt Nürnberg vom 8. Oktober 1999 die Verpflichtung der Antragstellerin zu 1), für die Tochter bis 26. November 1999 einen gültigen Paß bzw. Paßersatz vorzulegen bzw. diesen innerhalb der Frist bei der Botschaft des Heimatstaates zu beantragen. Des weiteren wurde in Ziffer 3) dieses Bescheides für den Fall, daß binnen der gesetzten Frist der Ausländerbehörde gegenüber weder ein Heimreisedokument für die Antragstellerin zu 2) vorgelegt worden sei noch ein Nachweis erbracht worden sei, daß bei der Botschaft des Heimatlandes ein Heimreisedokument für die Antragstellerin zu 2) beantragt worden sei, angeordnet, alle von den iranischen Behörden geforderten Unterlagen für die Ausstellung eines Ausweisdokumentes bei der Ausländerbehörde Nürnberg bis 30. November 1999 vorzulegen, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, daß die Lichtbilder weiblicher Ausweisbewerber zurückgewiesen würden, wenn die Person ohne Kopftuch abgebildet sei. In Ziffer 4) dieses Bescheides wurde für den Fall, daß die erforderlichen Lichtbilder nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form vorgelegt würden, die zwangsweise Vorführung der Antragstellerin zu 2) bei einem Fotografen ab 1. Dezember 1999 angedroht und in Ziffer 5) wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.

In der Begründung stützte die Stadt Nürnberg ihre Entscheidung auf Vorschriften des Ausländergesetzes, so die Verpflichtung zur Vorlage eines Passes bzw. Paßersatzes auf § 40 Abs. 1 AuslG, die Anord...

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