Tenor

Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 7. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1998 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Teileinrichtungen Gehwege und Grünanlagen der Erschließungsanlage R. in Berlin-Hohenschönhausen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des im Ostteil Berlins gelegenen Grundstücks …. Die etwa 200 m lange R. verläuft zwischen der K. und der K.. Am 24. September 1900 wurden die Straßenfluchtlinien der R. förmlich festgestellt. Im Jahre 1907 regulierte die Grunderwerbs- und Baugesellschaft erstmalig den Fahrdamm nach vorhergehender Freilegung. Ein Regenwasser- und ein Schmutzwasserkanal wurden vor 1914 eingebaut und gegenüber den Anliegern abgerechnet. Die Beleuchtung wurde durch die Lichtenberger Gasanstalt zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem Jahre 1932 installiert. Das Straßenland befand sich im Jahre 1938 im Eigentum der Stadt Berlin. Die Bürgersteige waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht angelegt. Nach Herstellung des Fahrdammes wurden die Grundstücke an der Reichenberger Straße mit Schuppen, Garagen, Fabrikanlagen und Wohngebäuden bebaut. Ein Bebauungsplan existiert nicht.

Im Jahre 1991 entschloss sich das Tiefbauamt des Bezirksamtes H. zum Neu- bzw. Ersatzbau der R.. Die Maßnahmen wurden für erforderlich gehalten, um den schlechten Fahrdammzustand zu verbessern. Nach den damaligen Feststellungen des Tiefbauamtes waren die Gehwege entlang der R. im wesentlichen mit Gehwegplatten befestigt, zwischen Poliklinik und K. war der Gehweg unbefestigt und uneben. An Bewuchs waren 15 Lindenbäume vorhanden. Wegen der beidseitigen Bebauung der Straße sah das Tiefbauamt H. weder eine Notwendigkeit für einen Bebauungsplan noch für die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gemäß § 125 BauGB. Die Gehwege wurden am 21. Dezember 1992, die Grünanlage/Verkehrsbegleitgrün am 25. März 1993 baulich abgenommen. Die Schlußrechnung bezüglich der Herstellung der Grünanlage wurde am 11. Oktober 1993 gestellt.

Aus den Gesamtkosten ermittelte das Tiefbauamt H. die beitragsfähigen Kosten für die Erstellung der Gehwege und der Grünanlage in Höhe von 356.213,31 DM. Diesen Aufwand verteilte es auf 15.389,37 qm Geschossfläche (20,832,– DM/qm Geschossfläche).

Mit Bescheid vom 7. Oktober 1997 zog das Bezirksamt H. von Berlin die Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 43.864,15 DM heran. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Bezirksamt mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1998, zugestellt am 12. Februar 1998, zurück.

Die Klägerin hat am 10. März 1998 Klage erhoben im wesentlichen mit folgender Begründung: Bei der R. handele es sich um eine vorhandene Anbaustraße i.S.v. § 242 Abs. 1 BauGB, für die ein Anliegerbeitrag nicht mehr erhoben werden dürfe. Darüber hinaus habe die Straße einem früheren technischen Ausbauprogramm i.S.v. § 242 Abs. 9 BauGB entsprochen; jedenfalls aber habe der Zustand der Gehwege dem ortsüblichen ostdeutschen Standard fertiggestellter Anlagen in weniger frequentierten Gebieten entsprochen. Es sei davon auszugehen, dass die beiden Teileinrichtungen jedenfalls zwischen dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes und der Wiedervereinigung Deutschlands endgültig hergestellt worden seien. Auch der Beklagte gehe offenbar davon aus. Jedenfalls sei in den Verwaltungsvorgängen immer wieder die Rede von einem „Ersatzbau”. Die R. befinde sich nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Daher fehle es an der nach § 125 BauGB notwendigen Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde zu den Baumaßnahmen. Die Beitragserhebung verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Das Erschließungsbeitragsgesetz vom 12. Juli 1995 (im Folgenden: EBG n.F.) sei am 21. Juli 1995 und damit nach Abschluss der Baumaßnahmen in Kraft getreten. Eine rückwirkende Regelung für Sachvorhalte vor seinem Inkrafttreten enthalte das EBG n.F. nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Erschließungsbeitragsbescheid vom 7. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die R. sei in ihrer Gesamtheit erst mit den Baumaßnahmen 1992/1993 erstmalig endgültig hergestellt worden. Die Beitragserhebung für die Teileinrichtungen sei nicht nach § 242 Abs. 1 oder Abs. 9 BauGB ausgeschlossen. Beide Absätze der genannten Vorschrift seien anwendbar; Absatz 9 verdränge für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet den Absatz 1 nicht. Das folge bereits aus der Wortwahl des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB. Bei dem Begriff des technischen Ausbauprogrammes handele es sich um eine feststehende Begrifflichkeit aus der DDR-Zeit. Vor Gründung der DDR habe man auch nicht von örtlichen Ausbaugepflogenheiten gesprochen. Allerdings hätten die in § 242 Abs. 1 BauGB genannten bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften in der DDR ohnehin nur bis zum Jahre 1948 Anwendung finden können. Für die Zeit ab Grü...

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