Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Baugenehmigung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.
Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung gegenüber dem Beklagten und dem Beigeladenen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte und der Beigeladene jeweils zuvor Sicherheit in jeweils derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung eines Gebäudekomplexes auf einem Nachbargrundstück als Pflegeheim für geistig Behinderte.
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks F. (Flurstück G., Flur H., Gemarkung I.). An dieses Grundstück grenzt J. das Grundstück des Beigeladenen, K. (bestehend aus den fünf Flurstücken L. der Flur H., Gemarkung I.), welches 11.937 m² groß ist (s. Bl. 379, BA B). Die Nutzfläche der Gebäude beträgt 1.320 m².
Das klägerische Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes M. vom 06.03.1964. Dieser setzte ursprünglich ein Reines Wohngebiet fest. Mit Nachtragssatzung vom 13.10.1967 änderte die Gemeinde I. die Art der baulichen Nutzung in Allgemeines Wohngebiet. Das Grundstück des Beigeladenen liegt im Geltungsbereich des von der Gemeinde I. am 25.03.1966 beschlossenen Bebauungsplanes N.. Dieser setzte für das Baugrundstück ebenfalls zunächst ein Reines Wohngebiet (für den Bereich des 1. Bauabschnitts, s.u.) und teilweise eine Grünfläche fest. Die Bekanntmachung dieser Pläne als Satzung ist nicht dokumentiert. Im Jahre 1971 wurde eine vereinfachte Änderung des Bebauungsplans beschlossen, wonach für den Bereich des ersten Bauabschnitts, Teile des zweiten Bauabschnitts sowie den dritten Bauabschnitt ein Allgemeines Wohngebiet festgesetzt wurde.
Den planerischen Vorgaben entsprechend wurden die Gebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen in drei Bauabschnitten errichtet. Nachdem 1967 zunächst ein Wohnhaus genehmigt worden war, erteilte der Beklagte unter dem 15.04.1969 eine Baugenehmigung für die Umnutzung des Gebäudes in ein Alten- und Pflegeheim. In dem Gebäude befanden sich zu jener Zeit eine Wohnung sowie 16 Betten für ein Altenwohnheim und fünf „Bettpflegezimmer”. Mit einer weiteren Baugenehmigung vom 21.04.1975 wurde die Errichtung eines zweiten Bauabschnitts, u. a. mit zehn Wohnräumen sowie sechs Zimmern einer Pflegestation gestattet. Schließlich erteilte der Beklagte unter dem 13.05.1983 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Aufnahmestation mit zwei Krankenzimmern sowie zwei Zweibettpflegezimmern (3. Bauabschnitt). Mindestens seit 1985 wird das Heim – zunächst mit einem anderen Betreiber – als Pflegeheim für geistig Behinderte genutzt.
Der im Jahre 2004 verstorbene Ehemann der Klägerin, O., beschwerte sich erstmals im Jahre 1988 gegenüber der Samtgemeinde P. darüber, dass die Behinderten zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten undefinierbare, unkontrollierte und laute Schreie ausstießen, die ihn und seine Frau erschreckten, bedrückten und psychisch erheblich belasteten. Durch Lautäußerungen der geistig behinderten Menschen fühlten sich der Kläger sowie die anderen Anwohner nicht nur psychisch beeinträchtigt, sondern – insbesondere im Sommer – auch erheblich in ihrer Grundstücksnutzung beeinträchtigt. Mit Schreiben vom 14.05.1996 beantragte der Ehemann der Klägerin bei dem Beklagten, die Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen für ein psychiatrisches Pflegeheim zu untersagen.
Mit Bescheid vom 23.12.1996 lehnte der Beklagte ein Einschreiten mit der Begründung ab, das Vorhaben sei nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1968 als Anlage für soziale Zwecke zulässig. Gründe, die ein Einschreiten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO rechtfertigten, seien nicht gegeben. Auf die daraufhin erhobene Untätigkeitsklage des Ehemanns hob die erkennende Kammer mit Urteil vom 11.03.1999 den Bescheid vom 23.12.1996 auf (Az.: 2 A 2538/96). Ferner verpflichtete die Kammer den Beklagten, den in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag des Klägers auf Einschreiten gegen die Nutzung der Gebäude auf dem Grundstück Q. als psychiatrisches Pflegeheim unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. In den Entscheidungsgründen stellte die Kammer fest, dass die Nutzung als psychiatrisches Pflegeheim formell illegal sei. Der Beklagte habe das ihm in § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO eingeräumte pflichtgemäße Ermessen im Wesentlichen in zwei Richtungen auszuüben: Zum einen bestehe für ihn die Verpflichtung, ein – möglichst ergebnisoffenes – Baugenehmigungsverfahren hinsichtlich der aktuellen Nutzung des Gebäudekomplexes durchzuführen. Zum anderen habe der Beklagte durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der Ehemann der Klägerin während der Dauer des Genehmigungsverfahrens nicht mehr als objektiv unvermeidbar in seinen nachbarlichen Rechten beeinträchtigt werde. Die Kammer sprac...