Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen an eine Auswahlentscheidung nach dem Leistungsprinzip. Zeitnähe der Beurteilungen u. Leistungseinschätzungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach dem Leistungsprinzip zu treffende Auswahlentscheidung setzt regelmäßig voraus, dass für alle Konkurrenten zeitnahe Beurteilungen bzw. Leistungseinschätzungen vorliegen, die einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen.
2. Zwar ist es in Fällen, in dessen die miteinander konkurrierenden Beamten in ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung das gleiche Gesamturteil erhalten haben, nicht zwingend geboten, differenzierend auf die Wertungen in den einzelnen Beurteilungsmerkmalen oder das arithmetische Mittel abzustellen. Andererseits ist der Dienstherr aber durchaus berechtigt, eine Differenzierung anhand der Einzelmerkmale vorzunehmen, um so eine leistungsorientierte Auswahl herbeizuführen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
Tenor
Dem Antragsgegner wird einstweilen untersagt, den Beigeladenen vor dem Antragsteller in ein Amt der Besoldungsgruppe B 5 zu befördern.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner mit Ausnahme der etwaigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat.
Gründe
Das von dem Antragsteller mit seinem Antrag verfolgte Begehren, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, dem Beigeladenen vor ihm ein Amt der Besoldungsgruppe B 5 zu übertragen, ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist hinreichend wahrscheinlich, dass die zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners dem Anspruch des Antragstellers auf verfahrens- und sachfehlerfreie Entscheidung über sein dem Antragsgegner gegenüber zum Ausdruck gebrachtes Beförderungsbegehren nicht gerecht wird. Dies rechtfertigt den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers.
In Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um eine Beförderung hat der im Auswahlverfahren unterlegene Beamte einen Anordnungsanspruch, wenn dies – namentlich um den Eintritt “vollendeter Tatsachen” durch Aushändigung der Beförderungsurkunde zu verhindern – zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs geboten ist. Der Bewerbungsverfahrensanspruch beinhaltet vor allem das Recht, dass der Dienstherr bei mehreren vorhandenen Konkurrenten um eine Beförderung die Auswahl unter Beachtung des durch Artikel 33 Abs. 2 GG verfassungskräftig verbürgten Grundsatzes der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) vorzunehmen hat. Dieser Anspruch ist grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig, ohne dass es darauf ankommt, ob der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchende Beamte zwingend oder auch nur überwiegend wahrscheinlich seinem Konkurrenten hätte vorgezogen werden müssen. Vielmehr genügt es, dass die Aussichten des Betroffenen, in einem neuen rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, “offen” sind, was bereits zu bejahen ist, wenn seine Auswahl möglich erscheint.
Vorliegend halten die Erwägungen des Antragsgegners, aus denen er einen Vorrang des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller hergeleitet hat, einer rechtlichen Überprüfung anhand des vorgenannten Grundsatzes der Bestenauslese nicht stand. Eine nach dem Leistungsprinzip zu treffende Auswahlentscheidung setzt regelmäßig voraus, dass für alle Konkurrenten zeitnahe Beurteilungen bzw. Leistungseinschätzungen vorliegen, die einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen und damit zugleich dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 – 2 C 14.02 –; juris.
Es muss daher in der Regel auf dienstliche Beurteilungen bzw. Leistungseinschätzungen zurückgegriffen werden können, die für die Beförderungsentscheidung hinreichende Aussagekraft haben und weder von erheblich unterschiedlicher noch von gänzlich mangelnder Aktualität sind.
Vgl. auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 01.07.1994 – 1 W 38/94 – m.w.N.
Vorliegend lag aber der Beförderungsentscheidung des Antragsgegners lediglich eine aktuelle Anlassbeurteilung des Beigeladenen vom 24.06.2008 zugrunde. Der Antragsteller hingegen wurde unwidersprochenen eigenen Angaben zufolge letztmalig im Jahr 1999 dienstlich beurteilt (der Kammer liegt allerdings lediglich eine Beurteilung aus dem Jahr 1996 vor). Im Hinblick auf eine im Jahr 2008 zu treffende Beförderungsentscheidung besitzt weder eine Beurteilung aus dem Jahr 1996 noch eine solche aus dem Jahr 1999 hinreichende Aktualität. Auch eine sonstige den Antragsteller betreffende aktuelle Leistungseinschätzung ist nicht ersichtlich.
Liegen im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung – wie hier – keine vergleichbaren zeitnahen Leistungseinschätzungen vor, besteht grundsätzlich die Verpflichtung, anlässlich des Auswahlvorgangs die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrenten im Hinblick auf die Beförderungsentscheidung zeitnah festzustellen. Eine solche Feststell...