Entscheidungsstichwort (Thema)
Stilllegung einer Baustelle. Anforderungen, die ein einstweiliges bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein Bauvorhaben zu rechtfertigen vermögen
Normenkette
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3; ZPO §§ 294, 920 Abs. 2; BauGB § 34 Abs. 1-2; BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2; LBO § 57 Abs. 2, § 81 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller „dem Antragsgegner aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück Straße, A-Stadt stillzulegen”, ist bei verständiger Würdigung als Antrag auf eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zu einem einstweiligen bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen zu verstehen. Dieser Antrag ist statthaft, hat allerdings keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Hier ist bereits der erforderliche Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden, weil nicht ersichtlich ist, dass es den Antragstellern nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Denn für eine vorläufige Baueinstellung bis zur Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren besteht nur dann Anlass, wenn eine unzumutbare Erschwerung oder gar Vereitelung der Rechtsverfolgung der Antragsteller infolge weiteren Baufortschritts droht.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.06.2003 – 1 W 12/03 –.
Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Zunächst ist nach den vorliegenden Lichtbildern und Verwaltungsunterlagen davon auszugehen, dass die Gaststätte der Beigeladenen bereits weitgehend fertig gestellt ist. Hinzu kommt, dass die von den Antragstellern gerügten Mängel des Bauwerkes problemlos wieder beseitigt werden können. Dabei spricht insbesondere gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, dass gerade die von den Antragstellern gerügten Baumaßnahmen bereits umgesetzt sind. So sind sowohl die angegriffene Rampe errichtet als auch die Glastür sowie die angeblich nicht den Vorschriften entsprechenden Fenster eingebaut worden.
Außerdem kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass hinsichtlich des Anbaus auf der südlichen Seite des Gebäudes der Beigeladenen ein Antrag auf Baueinstellung bereits wegen des Fehlens des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil der Antragsgegner bereits eine solche Verfügung erlassen hat.
Unabhängig von der Frage des Bestehens eines Anordnungsgrundes hat der Antrag auf vorläufige Baueinstellung auch keinen Erfolg, weil die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO glaubhaft gemacht haben.
Nach § 57 Abs. 2 LBO ist es Sache der Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung, dem Abbruch sowie der Instandhaltung und Instandsetzung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; in Wahrung dieser Aufgaben kann die Bauaufsichtsbehörde die „erforderlichen Maßnahmen” treffen, wozu nach § 81 Abs. 1 LBO auch die Baueinstellung gehört, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden. Allerdings nur im Falle der Nichtbeachtung nachbarschützender Bestimmungen des öffentlichen Baurechts hat der betroffene Nachbar vorbehaltlich eines individuellen Rechtsverlustes im Einzelfall regelmäßig einen subjektiven Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber baurechtswidrigen Anlagen und/oder deren Nutzung. Dieser Anspruch umfasst regelmäßig auch ein Recht auf gegebenenfalls zwangsweise Realisierung entsprechender Anordnungen im Wege des Verwaltungszwanges, im Einzelfall sogar unter Anwendung eines bestimmten Zwangsmittels, sofern die Abwehrrechte der betroffenen Anlieger nicht bereits durch ausdrückliche Erklärung, konkludentes Verhalten oder Verwirkung untergegangen sind.
Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 – 2 R 144/86 –, S. 12 unter Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Beschluss vom 08.09.1975 – II W 40/75 –, AS 14, 214 = BRS 29 Nr. 142, und Urteil vom 22.10.1982 – 2 R 209/81 –, AS 19, 129 = NVwZ 1983, 685; ebenso Beschlüsse vom 07.09.1988 – 2 W 422/86 – und vom 31.01.1995 – 2 W 51/94 –.
Welchen Vorschriften des Baurechts nachbarschützende Funktion zukommt, ist jeweils nach Inhalt, Zweck und Wirkung der einzelnen Vorschrift darauf zu untersuchen, ob die spezielle Norm zumindest auch den Schutz des Nachbarn bezweckt. Dabei ist Zurückhaltung geboten und grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, um einer Ausuferung in Richtung auf eine verdeckte Popularklage zu begegnen sowie den ve...