Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zur einstweiligen Einstellung der Bauarbeiten an einer baugenehmigungsfreien Grenzmauer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Errichtung einer maximalen 2 m hohen Grenzmauer aus großformatigen Steinblöcken schafft keine den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigende, nur schwer rückgängig zu machende Tatsache.
2. Der Umstand, dass eine maximale 2 m hohe Einfriedungsmauer einen Abstand von nur 2,80 m zum Wohnhaus des Nachbarn einhält, rechtfertigt nicht den Erlass einer einstweiligen Baueinstellung, wenn nicht zugleich glaubhaft gemacht wird, dass die Mauer die Grenze überbaut.
Normenkette
LBO 2004 § 57 Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 1; BauNVO § 15 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung, die sofortige Einstellung der Bauarbeiten des Beigeladenen zur Errichtung einer Steinmauer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Anwesen A-Straße X und Y in A-Stadt, Ortsteil B. anzuordnen, soweit die Mauerkante eine Höhe von 1,50 m von der Bodenoberfläche überschreitet, hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat dabei einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit = Unzumutbarkeit, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten) und einen Anordnungsanspruch darzutun und glaubhaft zu machen. (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Der Antragsteller hat mit dem bloßen Hinweis auf die Bauarbeiten und die die damit angeblich verbundene Schaffung nur schwer rückgängig zu machender Tatsachen keinen Anordnungsgrund dargetan hat . Denn wenn die Grenzmauer mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren wäre und der Antragsteller einen subjektiven Abwehranspruch hätte, wäre der Beigeladene zur Beseitigung verpflichtet. Inwieweit dieser Anspruch mit der Errichtung der Grenzmauer vereitelt oder zumindest schwer erschwert würde, hat der Antragsteller nicht näher begründet und das drängt sich auch nicht ohne weiteres auf. Denn die aus einzelnen großformatigen Steinblöcken errichtete Mauer ist – anders als etwa ein Betongussteil – auch im nachhinein wieder leicht zu beseitigen. Dass dem Antragsteller im Übrigen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptverfahren schlechthin nicht zumutbare Nachteile durch die Mauer drohen sollten, hat er nicht einmal behauptet. Darüber hinaus ist die Mauer nach den Angaben des Beigeladenen bereits weitgehend fertig errichtet, sodass auch nicht erkennbar ist, welche Bauarbeiten durch eine Baueinstellung noch verhindert werden könnten.
Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch dargetan.
Nach § 57 Abs. 2 LBO 2004 ist es Sache der Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung, dem Abbruch sowie der Instandhaltung und Instandsetzung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; in Wahrung dieser Aufgaben kann die Bauaufsichtsbehörde die „erforderlichen Maßnahmen” treffen. Im Falle der Nichtbeachtung nachbarschützender Bestimmungen des öffentlichen Baurechts hat der betroffene Nachbar vorbehaltlich eines individuellen Rechtsverlustes im Einzelfall regelmäßig einen subjektiven Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber baurechtswidrigen Anlagen und/oder deren Nutzung. Dieser Anspruch umfasst regelmäßig auch ein Recht auf gegebenenfalls zwangsweise Realisierung entsprechender Anordnungen im Wege des Verwaltungszwanges, im Einzelfall sogar unter Anwendung eines bestimmten Zwangsmittels, (OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 – 2 R 144/86 –, S. 12 unter Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Beschluss vom 08.09.1975 – II W 40/75 –, AS 14, 214 = BRS 29 Nr. 142, und Urteil vom 22.10.1982 – 2 R 209/81 –, AS 19, 129 = NVwZ 1983, 685; ebenso Beschlüsse vom 07.09.1988 – 2 W 422/86 – und vom 31.01.1995 – 2 W 51/94 –) sofern die Abwehrrechte der betroffenen Anlieger nicht bereits durch ausdrückliche Erklärung, konkludentes Verhalten oder Verwirkung untergegangen sind. (OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 – 2 R 144/86 –, S. 12)
Welchen Vorschriften des Baurechts nachbarschützende Funktion zukommt, ist jeweils nach Inhalt, Zweck und Wirkung der einzelnen Vorschrift darauf zu untersuchen, ob die spezielle Norm zumindest auch den Schutz des Nachbarn bezweckt. Dabei ist Zurückhaltung geboten und grundsätzlich ein strenge...