Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz durch Gewährung eines persönlichen Budgets

 

Leitsatz (amtlich)

Antrag auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz durch Gewährung eines persönlichen Budgets im Wege der einstweiligen Anordnung (hier mangels Vorliegens der Voraussetzungen, die die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen zurückgewiesen)

 

Normenkette

SGB IX § 102 Abs. 4

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller.

 

Gründe

Der Antrag vom 12.05.2009, mit dem der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm vorläufig monatlich 1.100,-- EUR für Gebärdendolmetscherleistungen im Arbeitsleben zu bewilligen, bleibt ohne Erfolg. Es fehlt an der hinreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO.

Da mit der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung die Hauptsache zeitweilig vorweggenommen würde, sind strenge Anforderungen sowohl an den Anordnungsanspruch als auch an den Anordnungsgrund zu stellen. Erforderlich wäre, dass die vorläufige Versagung eines Persönlichen Budgets für Dolmetscherleistungen im Arbeitsleben offensichtlich oder doch zumindest ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig ist und dass dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ohne die begehrte Regelung auszukommen. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.01.2006, – 1 W 18/05 – m.w.N., Juris; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 190)

Zwar spricht in der vorliegenden Fallkonstellation viel dafür, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX zusteht. Gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen – wie der Antragsteller – im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1a SGB IX) einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Arbeitsassistenz in diesem Sinne ist die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Ausübung ihres Berufes in Form einer von ihnen beauftragten persönlichen Arbeitskraft. (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 02.07.2009, – AN 14 K 08.01859 –, Juris; VG Halle, Urteil vom 29.11.2001 – 4 A 496/99 –, Juris; Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 33)

Der Anspruch nach § 102 Abs. 4 SGB IX setzt voraus, dass der behinderte Mensch den inhaltlich prägenden Kernbereich seiner Tätigkeit selbst erfüllen kann, also über die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen körperlichen Voraussetzungen verfügt und nur für bestimmte Teile seiner Arbeit begleitende also unterstützende Hilfe benötigt. Diese Voraussetzungen sind im konkreten Fall gegeben. Das Antragsteller, der die von ihm nicht näher präzisierten Anforderungen seines Arbeitsplatzes ohne die Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt, begehrt die Unterstützung durch eine Gebärdendolmetscherin lediglich zur Kommunikation bei den wöchentlich stattfindenden Teambesprechungen und anderen Besprechungen am Arbeitsplatz. Die Umstände seiner Behinderung einerseits wie seines beruflichen Umfeldes andererseits geben hinreichende Anhaltspunkte, die grundsätzliche Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz und damit den Anspruch des Antragstellers aus § 102 Abs. 4 SGB IX dem Grunde nach anzunehmen. Ob der Antragsteller darüber hinaus auch einen Anspruch auf Gewährung dieser Leistung in Form eines Persönlichen Budgets hat, bestimmt sich nach § 17 Abs. 2 SGB IX, der gemäß § 102 Abs. 7 Satz 2 SGB IX entsprechend gilt. Danach steht es im Ermessen der zuständigen Behörde, ob die Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget auszuführen sind. Mit der Möglichkeit, auf Antrag des behinderten Menschen Leistungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in Form eines Persönlichen Budgets zu erbringen, soll dem Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen (§ 9 SGB IX) Rechnung getragen werden (Majerski-Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 17 Rdnr. 4). Ziel der Einführung der Möglichkeit der Leistungsgewährung in Form eines Persönlichen Budgets war der Versuch, dem Berechtigten auf diese Weise eine größere Freiheit darüber zu geben, welche Hilfen er in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt in Anspruch nimmt. Auf diese Weise soll er darin unterstützt werden, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. (Baumeister in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar, Stand 1.6.2009, § 35a SGB XI Rdnr. 2) Umstände, die im konkreten Fall grundsätzlich einer Ausführung der Leistung in Form der Gewährung eines Persönlichen Budgets entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. ...

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