Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufstellen von zuvor bestellten blauen Tonnen für Papier, Pappe und Kartonagen auf öffentlichen Gehwegen vorläufig weiter zulässig. genehmigungsfreier Anliegergebrauch. kein Exklusivrecht des öffentlichen Entsorgers auf Einsammeln von Papier- und Kartonabfällen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anlieferung von Altpapiergefäßen, die von Anliegern konkret bestellt wurden, stellt sich ebenso wie das Aufstellen von Abfallbehältern zum Zwecke des Einsammelns von Abfällen als grundsätzlich genehmigungsfreier Anliegergebrauch dar.
2. Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW/AbfG hat der öffentliche Entsorger kein Exklusivrecht auf das Einsammeln von Papier, Pappe und Kartonagen.
3. Die mit der untersagten Tätigkeit einhergehende zusätzliche Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen erreicht nicht ein Maß, das geeignet wäre, dem öffentlichen Vollzugsinteresse den Vorrang zu geben, zumal die mit einem Vollzug einhergehenden Wettbewerbsnachteile für den privaten Entsorger weder eindeutig bezifferbar noch ohne Weiteres rückgängig zu machen sind.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, 5; KrW/AbfG § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3; SStrG § 18 Abs. 1, 8
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25.04.2008 wird insoweit wiederhergestellt, als der Antragsgegner der Antragstellerin untersagt, Altpapiertonnen im räumlichen Geltungsbereich der Satzung der Mittelstadt St. Ingbert über Sondernutzungen an öffentlichen Verkehrsflächen aufzustellen, soweit es sich um Tonnen handelt, die die Eigentümer oder Anlieger der jeweiligen Grundstücke zuvor bestellt hatten.
2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Polizeiverfügung der Antragsgegnerin vom 25.04.2008 begehrt, ist, soweit der Widerspruch Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides betrifft, gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, wenn auch nur teilweise zulässig.
In Ziffer 1. der Verfügung wird der Antragstellerin generell das Aufstellen von Sammelbehältern für Papier und Ähnliches im näher umschriebenen räumlichen Geltungsbereich der Verfügung untersagt.
Vorliegend ist zu unterscheiden zwischen dem jedenfalls teilweise (in Bezug auf einzelne Straßen oder Ortsteile) flächendeckenden Aufstellen von „blauen Tonnen” mit Werbezetteln, ohne dass zuvor eine konkrete Bestellung vorlag, dem Anliefern von durch Bürger bestellten „blauen Tonnen”, und dem Einsammeln von Papier, Pappe und Kartonagen aus von Bürgern auf dem Gehweg zum Abholen bereitgestellten „blauen Tonnen”. Alle drei Konstellationen werden von der zwar allgemein gehaltenen, aber noch hinreichend bestimmten Verfügung des Antragsgegners erfasst.
Das Abstellen von Altpapiertonnen vor Grundstücken auf der öffentlichen Straße durch ein Abfallentsorgungsunternehmen, um die Grundstückseigentümer als Kunden zu gewinnen, stellt sich als genehmigungsbedürftige Sondernutzung im Sinne des § 18 Abs. 1 SStrG dar. Ist wie vorliegend eine entsprechende Sondernutzungsgenehmigung nicht eingeholt worden, kann der hierfür zuständige Antragsgegner diese Sondernutzung – wie hier geschehen – auf polizeirechtlicher Grundlage oder aufgrund der Ermächtigung in § 18 Abs. 8 SStrG unterbinden (Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 20.06.2008 – 6 L 252/08 – m.w.N. zur entsprechenden Rechtslage in Nordrhein-Westfalen). Vorliegend spricht aufgrund des Sachvortrags des Antragsgegners, dem die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, alles dafür, dass die Antragstellerin jedenfalls nicht ausschließlich auf Bestellung von Kunden Altpapiertonnen ausgeliefert und auf den Gehwegen abgestellt hat. Mit Blick darauf, dass diese – wenn auch nach dem Vortrag des Antragsgegners teilweise mit zeitlicher Verzögerung … zwischenzeitlich wieder eingesammelt worden sind, bedarf es im vorliegenden Eilverfahren keiner weiteren Ausführungen, weil sich insofern der Verwaltungsakt erledigt hat und damit das Eilrechtsschutzbedürfnis entfallen ist. Die Antragstellerin wird im Zuge ggf. weiterer entsprechender Aktionen dagegen zu beachten haben, dass sie insofern eine Sondernutzungserlaubnis benötigt.
Soweit die Verfügung auch die Anlieferung von Altpapiergefäßen, die von Anliegern konkret bestellt wurden, und der Sache nach auch das Aufstellen der Tonnen im Zuge der turnusmäßigen Abfuhrintervalle betrifft, ist der Antrag auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist, soweit der Widerspruch sich gegen die Verfügung insgesamt richtet, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwar im Hinblick auf § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 AGVwGO statthaft gewesen, mit Ablauf der Frist in Ziffer 2. der Verfügung bereits mangels Eilrechtsschutzbedürfnisses aber unzulässig (geworden), da sich der Verwaltungsakt insofern ...