Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des Sofortvollzugs einer immissionsrechtlichen Genehmigung nach § 80a Abs. 3 VwGO
Leitsatz (amtlich)
Steht die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Windenergieanlage aufgrund des Vorprozesses auf Erteilung eines Vorbescheides rechtskräftig fest, ist der Sofortvollzug der immissionsrechtlichen Genehmigung nach Erhebung des Widerspruchs durch die Gemeinde wegen des überwiegenden Interesses des Genehmigungsinhabers anzuordnen.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, § 80a Abs. 1 Nr. 1; BauGB § 35 Abs. 1, 3 S. 3, § 36; SNG § 29 Abs. 1
Tenor
Zu dem Verfahren wird die Gemeinde E…, vertreten durch den Bürgermeister, Rathaus, … E…, beigeladen, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung über den Antrag berührt werden.
Die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides des Antragsgegners vom 27.04.2009 zur Errichtung einer Windenergieanlage Enercon E 53, Nabenhöhe 73 m, mit einer Nennleistung von 800 KW in … E…, Gemarkung D…, Flur 27, Flurstück 26, wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Anordnung des Sofortvollzugs einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage in der Gemeinde E….
I.
Im Juli 2003 beantragte der Antragsteller einen Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Vorhabengrundstück. Die Bauaufsicht lehnte den Antrag im Oktober 2003 wegen des versagten Einvernehmens der Gemeinde ab. Die im Mai 2004 erhobene Klage wurde mit Urteil vom 30.08.2006 abgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg. Das OVG des Saarlandes verpflichtete die Bauaufsichtsbehörde mit Urteil vom 17.01.2008 – 2 R 11/06 – zur Erteilung des Bauvorbescheides. Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag auf Zulassung der Revision zurück.
Der im Vorprozess beigeladene Antragsgegner erteilte dem Antragsteller sodann mit Bescheid vom 27.04.2009 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage vom Typ Enercon 53 mit einer Nennleistung von 800 KW in … E…, Gemarkung D…, und ersetzte mit dem Bescheid das von der Gemeinde nicht hergestellte Einvernehmen.
Mit Antrag vom 28.04.2009 begehrte der Antragsteller vom Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides gemäß § 80a VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
Am 15.05.2009 legte die Gemeinde gegen die Genehmigung vom 27.04.2009 Widerspruch ein und kündigte eine Begründung nach erfolgter Akteneinsicht an.
Der Antragsgegner lehnte die Anordnung des Sofortvollzugs mit Bescheid vom 29.05.2009 ab.
Am 04.06.2009 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung des Sofortvollzugs des Genehmigungsbescheides beantragt: Der Sofortvollzug liege sowohl im öffentlichen als auch in seinem überwiegenden persönlichen Interesse. Das öffentliche Interesse bestehe in der kostengünstigen umweltverträglichen Energieversorgung und der Investition zur Reduzierung des CO 2-Ausstoßes in die Erdatmosphäre. Nach der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.09.2001 – EAB l L 283 vom 27.10.2001, S. 33 ff. – seien erneuerbare Energien prioritär zu fördern, da deren Nutzung zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beitrage. Zwar handele es sich vorliegend um ein kleineres Projekt, das gleichwohl die genannten Ziele verfolge. Denn jede einzelne Windenergieanlage diene auf dieser Grundlage dem Wohl der Allgemeinheit. Auch aus Art. 59a der Verfassung des Saarlandes und aus Tz. 1.4 Abs. 13 des Landesentwicklungsplan des Saarlandes, Teilabschnitt “Umwelt” vom 13.07.2004 ergebe sich eindeutig, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen im Saarland bestehe.
Der eigentliche Grund der Ablehnung liege in der Ablehnung des Vorhabens durch die Gemeinde, deren Einvernehmen mit dem Genehmigungsbescheid auf den Seiten 9 bis 11 gerade ersetzt worden sei. Damit habe der Antragsgegner allerdings zu Recht zu erkennen gegeben, dass er die Gründe für die Versagung des Einvernehmens nicht für stichhaltig halte. Von daher überrasche die Einschätzung, dass nunmehr das Interesse der Gemeinde überwiege, von der Zulassung der Anlage nicht betroffen zu werden. Die Ablehnung des Antrags sei damit rechtswidrig. Zudem bestehe ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Anordnung des Sofortvollzugs, und zwar sowohl ein öffentliches als auch ein privates Interesse.
Ein besonderes privates Interesse ergebe sich daraus, dass ihm nicht zugemutet werden könne, auf unabsehbare Zeit am Betreiben der genehmigten Anlage gehindert zu werden und/oder hohe Kosten aufgrund des Bau- und Betriebsstillstands zu haben. (Redeker/v.Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 80a Rd. 9; VGH München, Gewerbearchiv 1974, 55; VGH Mannheim, NJW 1976, 27 ff.; OVG Koblenz, AS 14, 429; Sellner/Reit) Er – der Antragsteller – habe bereits erhebliche Dispositionen zur Verwirklichung des Vorhabens getroffen. Von besonder...