Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz eines Nachbarn gegen den vom VG angeordneten Sofortvollzug einer BImSchG-Genehmigung für eine Windkraftanlage
Leitsatz (amtlich)
1. Gewährt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung Nachbarn einen höheren Schutz als ihn die TA Lärm gewährt, macht die Anfechtung der Genehmigung mit der Begründung keinen Sinn, das gewährte Schutzniveau sei nicht einzuhalten.
2. Grundsätzliche Bedenken des Nachbarn gegen die Anwendung der TA Lärm auf Windkraftanlagen und gegen die Grundsatzentscheidung des BVerwG im Urteil vom 29.08.2007 – 4 C 2.07 – stellen die Rechtmäßigkeit eines Genehmigungsbescheides nicht ernsthaft in Frage.
3. In Wohngebieten ist ein Lärmpegel von 45 dB(A) nachts vorübergehend hinnehmbar.
4. Moderne Windenergieanlagen erzeugen keinen im Rechtssinne belästigenden Infraschall.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3, 7, § 80a Abs. 3, § 80b; BauGB § 35 Abs. 1, 3 S. 3, § 36; BauNVO § 6 Abs. 1, 2 Nr. 1; BImSchG § 3 Abs. 1-2, 5 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 26; SNG § 29 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz für seinen Widerspruch gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage in A…-Stadt, für die die Kammer mit Beschlusses vom 24.06.2009 auf der Grundlage von § 80a Abs. 3 VwGO den Sofortvollzug angeordnet hat.
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens in A…-Stadt, Ortsteil und Gemarkung …, A…-Straße. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans H… der Gemeinde A…-Stadt, der an dieser Stelle als Art der baulichen Nutzung ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Mit dem Genehmigungsbescheid vom 27.04.2009 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb von einer Windkraftanlage vom Typ Enercon E 53 in A…-Stadt, Gemarkung Dirmingen, Flur 27, Flurstück 26, und ersetzte mit dem Bescheid das von der Gemeinde versagte Einvernehmen. Die Anlage hat eine Nennleistung von 800 KW, einen Rotordurchmesser von 53 m und eine Nabenhöhe von 73,5 m.
Der Beigeladene hatte bereits im Juli 2003 bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Neunkirchen einen Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windkraftanlage vom Typ Vensys 62 (Nabenhöhe 69 m, Rotordurchmesser 62 m, Gesamthöhe 100 m) beantragt. Dieser Antrag war im Hinblick auf das von der Gemeinde versagte Einvernehmen abgelehnt worden, auch der Widerspruch hatte keinen Erfolg gehabt. Die auf die Erteilung des Bauvorbescheides gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 30.08.2006 – 5 K 106/04 – im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Standort befinde sich nicht innerhalb eines im Landesentwicklungsplan Teilabschnitt Umwelt (LEP Umwelt) vom 13.07.2004 ausgewiesenen Vorranggebietes für Windenergie und der LEP Umwelt schließe die Zulässigkeit solcher Anlagen außerhalb von Vorranggebieten aus. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung änderte das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes mit Urteil vom 17.01.2008 – 2 R 11/06 – das erstinstanzliche Urteil ab und verpflichtete die Bauaufsichtsbehörde zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur Frage des Nichtvorliegens einer Sperrwirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlage.
Der streitige Genehmigungsbescheid vom 27.04.2009 enthält u.a. die Nebenbestimmungen, dass durch den Betrieb dieser Windkraftanlagen vor den Fenstern von schutzbedürftigen Räumen am Nachbaranwesen des Antragstellers … inklusive des in der Schallimmissionsprognose angesetzten Sicherheitszuschlages von 2,5 dB(A) während der Nachtszeit der nach der TA Lärm ermittelte Immissionspegel von 35 dB(A) nicht überschritten werden darf. Spätestens sechs Monate nach Inbetriebnahme der Windkraftanlagen ist durch Messungen einer nach § 26 BImSchG bekanntgegebenen Messstelle der Nachweis zu führen, dass die Immissionspegel bezogen auf die schalltechnisch ungünstigste Betriebsart (i.d.R. bei Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m Höhe bzw. 95 % Nennleistung) an den genannten Aufpunkten eingehalten werden. Für diesen Nachweis scheide das mit der Erstellung der Lärmprognose beauftrage Ingenieurbüro aus.
Mit Antrag vom 28.04.2009 begehrte der Beigeladene vom Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides gemäß § 80a VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
Am 15.05.2009 legte die Gemeinde gegen die Genehmigung vom 27.04.2009 Widerspruch ein und kündigte eine Begründung nach erfolgter Akteneinsicht an.
Der Antragsgegner lehnte die Anordnung des Sofortvollzugs mit Bescheid vom 29.05.2009 ab. Auf den Antrag des Beigeladenen ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24.06.2009 – 5 L 505/09 – die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 27.04.2009 an: Es könne dahin ste...