Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligungsfähigkeit eines Ortsrates. Anhörungsrecht eines Ortsrates bzgl. baurechtlichem Einvernehmen. Folgen der Verletzung des Anhörungsrechts eines Ortsrates

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Kommunalverfassungsstreit ist ein Ortsrat beteiligungsfähig und kann dieser durch den Ortsvorsteher vertreten werden.

2. Die Herstellung des Einvernehmens durch die Gemeinde nach § 36 BauGB kann im Einzelfall – d.h. vorhabenbezogen – eine anhörungspflichtige wichtige Angelegenheit im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 KSVG darstellen.

3. Das Anhörungsrecht steht dem Ortsrat als Gremium und nicht dem Ortsvorsteher als dessen Vorsitzendem zu.

4. Im Kommunalverfassungsstreitverfahren setzt die Feststellung einer Rechtswidrigkeit, Nichtigkeit oder sonstigen Unwirksamkeit eines Gemeinderatsbeschlusses wegen einer Verletzung des Anhörungsrechts des Ortsrates voraus, dass der Ortsrat durch den Gemeinderatsbeschluss in eigenen, sich aus seiner organähnlichen Stellung ergebenden Rechten verletzt wird.

5. Ein Einschreiten gegen objektive Rechtsverstöße fällt in die Zuständigkeit der Kommunalaufsichtsbehörde, die insoweit von den ihr gemäß §§ 130 ff. KSVG zustehenden Befugnissen Gebrauch machen kann.

 

Normenkette

BauGB § 36; KSVG § 73 Abs. 2 S. 1, § 130 ff.

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Soweit der Antragsteller beantragt hat, (wohl: vorläufig)

„festzustellen , dass der Gemeinderatsbeschluss der Antragsgegnerin vom 20.12.2007 zu dem (einzigen) Tagesordnungspunkt

Neubau eines Flugzaunes im Bereich des Leinpfades entlang der Saarschleife

mitBeschlussfassung für den

Neubau eines Flugzaunes im Bereich des Leinpfades entlang der Saarschleife

nichtig ist”,

bleibt der Antrag ohne Erfolg.

1. Zwar ist der Antrag nach § 123 VwGO statthaft; dabei handelt es sich hier um einen (vorläufigen) Feststellungsantrag im Kommunalverfassungsstreit.

Der Antrag erscheint auch im Übrigen zulässig. Allerdings war das Aktivrubrum von Amts wegen dahingehend zu ändern, dass Antragsteller der Ortsrat Orscholz und nicht dessen Ortsvorsteher ist, da sich bereits aus dem Antragsvorbringen und auch aus dem Protokoll der Ortsratssitzung vom 17.01.2008 ergibt, dass der Ortsvorsteher nicht primär die Verletzung eigener Rechte als Ortsvorsteher, sondern des Ortsrates selbst rügt. Insbesondere ergibt sich aus dem genannten Protokoll, dass die einstweilige Anordnung im Namen des Ortsrates als gemeindliches Organ beantragt werden soll. Eine entsprechende Rubrumsberichtigung erscheint daher sachdienlich, zumal sie der Vermeidung eines etwaigen weiteren gerichtlichen Verfahrens dient.

vgl. dazu allgemein auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 07.04.1981 – 3 W 1.731/81 –, SKZ 1981, 128

Nach der Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte ist ein Ortsrat im Kommunalverfassungsstreit auch beteiligungsfähig.

vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 07.04.1981 – 3 W 1.731/81 –, a.a.O.; Beschluss der Kammer vom 03.09.1989 – 11 F 53/98 –; vgl. auch Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, Kommentar, § 71 KSVG Anm. 1, § 73 KSVG Anm. 1.2 und § 29 KSVG Anm. 1.1 (Stand des Gesamtwerks: Januar 2007); Wohlfarth, Kommunalrecht für das Saarland, 3. Aufl. 2003, Rdnr. 199; vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 16.08.2001 – 10 KN 1036/01 u.a. –, NdsVBl 2002, 43

Dabei bestehen gegen eine Vertretung des Ortsrates durch den Ortsvorsteher – im Kommunalverfassungsstreitverfahren – im Ergebnis keine Bedenken (siehe auch § 75 Abs. 1 KSVG). Dass die dem Ortsvorsteher gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 KSVG zukommende repräsentative Vertretung des Gemeindebezirks keine Rechtsvertretung ist – im Sinne einer Außenvertretung –, steht dem im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits als Intraorganstreit nicht entgegen.

vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 03.09.1998 – 11 F 53/98 –

Vorliegend hat der Ortsrat Orscholz in seiner Sitzung vom 17.01.2008 den vom Ortsvorsteher eingereichten Eilrechtsschutzantrag im eigenen Namen bestätigt und damit übernommen, so dass es sachgerecht erscheint, den Ortsvorsteher, der den Antrag ursprünglich eingereicht hat, als Vertreter des Ortsrates anzusehen.

Des Weiteren steht dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht entgegen, dass es sich bei der Erklärung des Einvernehmens lediglich um ein sog. Verwaltungsinternum handelt.

vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 15.11.1991 – 4 B 191/91 –, m.w.N.; Bitz u.a., Baurecht Saarland, 2. Aufl. 2005, Kap. II Rdnr.100; Battis u.a., BauGB, 10. Aufl. 2007, § 36 Rdnr. 5

Denn die geltend gemachte Verletzung von Anhörungsrechten des Ortsrates im gemeindlichen Innenverhältnis ist unabhängig von der fehlenden Außenwirkung des Einvernehmens zu beurteilen.

2. Der gestellte Antrag ist indes unbegründet. Es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller kann nicht die (vorläufige) Feststellung der Nichtigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 20.12.2007 verlangen.

a) Freilich dürfte der Antragsteller – bei summarischer Prüfung – zu Recht rügen, dass sein gesetzliches A...

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