Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur ausnahmsweisen Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der Abschiebung nach Griechenland
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 343/2003; VwGO §§ 80, 123; AsylVfG § 34a Abs. 2; BVerfGG § 32 Abs. 1
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage (AZ: 2 K 1442/09) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2009 wird angeordnet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Kosten des Verfahrens im Übrigen trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, die der Antragsteller gegen den ihm am 12.10.2009 zugestellten Bescheid der Antragsgegnerin erhoben hat, mit dem festgestellt wurde, dass ihm in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht und die Abschiebung nach Griechenland angeordnet wurde, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Für den Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis ungeachtet dessen, dass die für den 13.10.2009 vorgesehene Überführung des Antragstellers nach Griechenland daran gescheitert ist, dass er unter der vorgenannten Anschrift nicht angetroffen werden konnte. Zwar konnte die Überstellung damit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 nicht binnen sechs Monaten durchgeführt werden. Die Antragsgegnerin hat allerdings mit Schreiben vom 13.10.2009 der griechischen Seite mitgeteilt, eine Überstellung des Antragstellers sei derzeit nicht möglich, weil er untergetaucht sei. Auszugehen ist deshalb von der Regelung des Art. 19 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie, wonach sich die Frist auf höchstens achtzehn Monate verlängert, wenn der Asylbewerber flüchtig ist (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin vom 22.10.2009).
Einer gerichtlichen Eilentscheidung in dem von dem Antragsteller begehrten Sinn steht vorliegend – ausnahmsweise – auch nicht die Vorschrift des § 34a Abs. 2 AsylVfG entgegen, wonach die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf.
In verfassungskonformer Auslegung des § 34a Abs. 2 AsylVfG kommt nämlich ausnahmsweise die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO (in Fällen, in denen dem Asylbewerber noch keine Abschiebungsanordnung zugestellt ist) oder wie hier die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage dann in Betracht, wenn der Asylbewerber eine Sondersituation darlegt und glaubhaft macht, dass diese vom Konzept der normativen Vergewisserung nicht erfasst wird. Dabei kann es sich zum einen um Sachlagen handeln, die die Verhältnisse im (angeblich) sicheren Drittstaat betreffen, mithin zielstaatsbezogener Natur sind. Zum anderen fallen hierunter sämtliche Umstände, die einer Abschiebung aus Deutschland heraus – in welchen Staat auch immer – aus (verfassungs-) rechtlichen Gründen oder aus humanitären Erwägungen entgegenstehen, mithin die innerstaatlichen Abschiebungshindernisse
vgl. Beschluss der Kammer vom 21.10.2008 – 2 L 1558/08 –; BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 1938, 2315/93 –, NVwZ 1996, 700 sowie Hailbronner, Kommentar zum Asyl- und Ausländerrecht, § 34a AsylVfG Rdnr 43 ff..
Eine Sondersituation in dem vorbezeichneten Sinne ist derzeit schon deshalb gegeben, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 08.09.2009 – 2 BvQ 56/09 – vorläufig die Abschiebung eines irakischen Asylbewerbers nach Griechenland im Überstellungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG bei angenommenen offenen Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens untersagt hat. Für die Annahme einer Sondersituation ist dabei aus Sicht des Gerichts entscheidend, dass die Verfassungsbeschwerde ausweislich der Gründe des Beschlusses Anlass zur Untersuchung gebe, ob und gegebenenfalls welche Vorgaben das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 16a Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung bei der Anwendung von § 34a Abs. 2 AsylVfG treffe, wenn Gegenstand des Eilrechtsschutzantrages eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft sei. Bezogen auf den Zielstaat Griechenland hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der von ihm angestellten Folgenabwägung zudem ausgeführt, bliebe dem – dortigen – Antragsteller der begehrte Erlass der einstweiligen Anordnung versagt, obsiegte er aber in der Hauptsache, könnten möglicherweise bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden. So wäre bereits die Erreichbarkeit des dortigen Antragstellers in Griechenland für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht sichergestellt, sollte, wie von ihm, gestützt auf ernst zu nehmende Quellen befürchtet, ihm in Griechenland eine Registrierung faktisch unmöglich sein und ihm die Obdachlosigkeit drohen. Mit Blick auf diese Ausführungen steht das Konzept der normativen Vergewisserung – die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sin...