Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Untersagung der Nutzung eines Gebäudes als Pferdestall. landwirtschaftliche Bodennutzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt nur einen den formalen Anforderungen genügende Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs.

2. Landwirtschaftliche Bodennutzung prägt im Verständnis von § 5 Abs. 1 BauNVO kein Dorfgebiet.

3. Eine langjährige Pferdehaltung prägt den Gebietscharakter nicht, wenn mit deren Untersagung jederzeit gerechnet werden musste.

4. Wird ein seit Jahren angeblich als Pferdestall genutztes Bauwerk in Baubeschreibungen stets anderes bezeichnet, spricht wenig für die Annahme, die Bauaufsichtsbehörde habe sich mit der Pferdehaltung abgefunden.

 

Normenkette

VwGO §§ 80, 80b; BauNVO §§ 3-5; BauGB § 29 Abs. 1, §§ 34-35; BImSchG § 3; LBO § 1 Abs. 1, § 60 Abs. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1b, §§ 63, 64 Abs. 1 Sätze 1, 3, §§ 77, 82 Abs. 2; SVwVfG § 28

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 1.800,-- Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsteller wenden sich gegen eine am 20.06.2008 für sofort vollziehbar erklärte baurechtliche Verfügung vom 15.05.2008, mit der ihnen die Nutzung des rückwärtig an der linksseitigen Grenze ihres Wohnanwesens bestehenden Gebäudes als Pferdestall untersagt und mit der für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von je 500 Euro angedroht wurde.

I.

Mit Verfügung vom 11.01.2007 forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, binnen zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit der Verfügung einen Bauantrag für die Errichtung eines als Lagerschuppen genutzten Carports, eines Pferdestalls mit Flurraum und zwei Boxen sowie eine daran anschließende, überdachte Lager- und Abstellfläche einzureichen.

Den Widerspruch der Antragsteller gegen die Aufforderung zur Einreichung eines Bauantrages wies der Kreisrechtsausschuss mit Widerspruchsbescheid aufgrund der Sitzung vom 27.11.2007 zurück: Nach § 60 Abs. 1 LBO bedürften die Errichtung, die Änderung und die Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in den §§ 61 bis 63 und 77 LBO nichts anders bestimmt sei. Die vom Antragsgegner als Carport bezeichnete bauliche Anlage an der hinteren Grundstücksgrenze sei eine nach § 64 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 LBO genehmigungspflichtige bauliche Anlage. Dieser vom Antragsteller zu 2. nach eigenen Angaben selbst errichtete und als Holzschuppen bezeichnete Baukörper sei nicht verfahrensfrei. Dabei handele es sich insbesondere nicht um eine nach § 61 Abs. 1 Nr. 1b LBO verfahrensfreie Garage einschließlich Abstellraum mit einer mittleren Wandhöhe von bis 3,00 m und bis zu 36 m (2) Brutto-Grundfläche. Zwar bezeichneten die Antragsteller das Bauwerk als Carport; es werde aber nicht in dieser Weise, sondern vorwiegend zu Lagerzwecken genutzt. Eine Freistellung nach § 63 LBO scheitere daran, dass die bauliche Anlage nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegen sei.

Auch der Pferdestall sei baugenehmigungspflichtig, ohne dass eine förmliche Baugenehmigung vorliege. Die Pferdehaltung genieße auch dann keinen Bestandsschutz, wenn der Stall – wie behauptet – seit 70 Jahren bestehe und nicht erweitert worden sei. Denn Bestandsschutz erfordere, dass die bauliche Anlage zu einem namhaften Zeitpunkt dem materiellen Baurecht entsprochen habe. Das könne vorliegend schon deshalb nicht der Fall sein, weil der Stall die erforderliche Abstandsfläche nicht einhalte. Unabhängig davon könne Bestandsschutz allein einem Beseitigungsverlangen der Bauaufsicht, nicht jedoch der Forderung nach Vorlage von Bauantragsunterlagen entgegengehalten werden. Ein etwaiger Bestandsschutz sei vorliegend im Übrigen erloschen, weil die Anlage bereits längere Zeit (in der Regel mehr als zwei Jahre) nicht mehr genutzt worden sei. (BVerwG, BauR 1995, 807) Ausweislich der Verwaltungsakten seien Nutzungen des Gebäudes als Pferdestall nur von 1937 – 1958 und von 2000 – 2004 dokumentiert. Die Aussage der Eheleute, sie könnten aus eigener Wahrnehmung eine Pferdehaltung auf dem Vorhabengrundstück seit “Jahrzehnten” bestätigen, überzeuge nicht. Unabhängig davon habe Frau, die die Pferdehaltung von 2000 – 2004 bestätigt habe, ihre Bauvoranfrage zur Zulässigkeit der Errichtung eines Pferdestalls zurückgezogen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der Behauptung der Antragsteller, der Antragsgegner habe in der Nähe Pferdehaltung genehmigt und an verschiedenen Stellen in Bliesen würden Pferde gehalten. Die Durchführung des Bauantragsverfahrens diene gerade dem Zweck, die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den baurechtlichen Vorschriften zu überprüfen. Auch die sich an den Pferdestall anschließende überdachte Abstell- und Lagerfläche sei genehmigungspflichtig.

Mit dem in Streit stehenden Bescheid vom 15.05.2008 untersagte die Antragsgegnerin den Antragstellern die Nutzung des rückwärtig an der linksseitigen Grenze ihres Wohnanwesens bestehenden Gebäudes als Pferdesta...

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