Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Begründung des Sofortvollzuges. Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Fehlen des Hinweises in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf, dass der Widerspruch gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch zur Niederschrift bei der Behörde erhoben werden kann, führt zu dessen Unrichtigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, ohne dass es darauf ankommt, ob dadurch im konkreten Einzelfall ein Irrtum hervorgerufen worden ist.

2. Die unzureichende Begründung einer Sofortvollzugsanordnung kann nach Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr geheilt werden.

3. Sie führt zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, ohne dass die Behörde gehindert wäre, eine Vollzugsanordnung erneut zu erlassen.

 

Normenkette

VwGO § 58 Abs. 1, 2 S. 1, § 70 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5, 7; SStrG § 8 Abs. 1, § 17

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 04.02.2010 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.09.2009 über die Einziehung eines Teilstücks der L… Straße in A…-Stadt wird wieder hergestellt.

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte; im Übrigen findet Kostenerstattung nicht statt.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin begehrt auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 04.02.2010 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.09.2009 über die Einziehung eines Teilstücks der L… Straße in A…-Stadt.

Das Betriebsgelände der Antragstellerin in A…-Stadt wird betreffend das Tor 5 zu ihrem Werksgelände über die L… Straße erschlossen. Mit Verfügung vom 15.09.2009, die am 23.09.2009 im “W…” für S… veröffentlicht worden ist, ordnete die Antragsgegnerin die Einziehung des hier fraglichen Teilstücks der L… Straße an. Ausweislich der Kopie auf Satz 12 der Verwaltungsakte, die handschriftlich mit “W… S… v. 23.09.2009” überschrieben ist, war der “Bekanntmachung über die Einziehung eines Teilstücks der L… Straße in S… F…” folgende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt:

“Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung Widerspruch erhoben werden, über den der Kreisrechtsausschuss beim Herrn Landrat in S… entscheidet. Der Widerspruch ist schriftlich, möglichst in 2facher Ausfertigung beim Herrn Oberbürgermeister der Kreisstadt S…, Amt für Bauverwaltung und Flächenmanagement, Rathaus, Zimmer 207, S…, einzulegen. Die Rechtsmittelfrist gilt auch als gewahrt, wenn der Widerspruch rechtzeitig beim Kreisrechtsausschuss, Landratsamt, eingelegt wird.

Wenn ein Bevollmächtigter bestellt wird, gilt sein Verschulden an dem Versäumnis einer Frist als eigenes Verschulden des Auftraggebers.

Postanschrift: Stadtverwaltung S…, Amt für Bauverwaltung und Flächenmanagement, Postfach …, … S….”

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.02.2010 legte die Antragstellerin am 08.02.2010 Widerspruch gegen die Einziehungsverfügung unter Berufung darauf ein, die Antragstellerin habe “erst kürzlich erfahren, dass gemäß der Veröffentlichung im W… von S… vom 23.09.2009 bereits am 03.09.2009 die Teileinziehung von Straßenflächen in der L… Straße erfolgte”. Sie berief sich dazu weiter darauf, dass der Widerspruch zulässig sei, weil sich die aus dem W… von S… vom 23.09.2009 ergebende öffentlich bekanntgemachte Rechtsbehelfsbelehrung als irreführend im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.1978, 6 C 77.78, erweise, weil diese den Eindruck erwecke, der Widerspruch könne nur schriftlich eingelegt werden. Dies entspreche somit nicht den Anforderungen von § 70 Abs. 1 VwGO, wonach der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde erhoben werden könne, was nach § 58 Abs. 2 VwGO zu Folge habe, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs noch innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung möglich und der Widerspruch vorliegend damit zulässig erhoben sei. Im Übrigen sei der Widerspruch auch begründet, da die Teileinziehung von Straßenflächen in der L… Straße rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze, weil § 8 Abs. 1 SStrG nur dann zur Einziehung einer Straße oder eines Teiles von ihr ermächtige, wenn für die Straße kein öffentliches Verkehrsbedürfnis mehr bestehe oder sonst überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorlägen. Beides sei hier nicht der Fall.

Hieraufhin verfügte die Antragsgegnerin unter dem 17.02.2010 mit an die Antragstellerin adressiertem Schreiben die sofortige Vollziehung der am 15.09.2009 aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 03.09.2009, veröffentlicht im W… S… am 23.09.2009, verfügten Einziehung des fraglichen Teilstücks der L… Straße und gab folgende Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab:

“Der Widerspruch vom 04.02.2010 ist verfristet und unzulässig. Der in der Rechtsbehelfsbelehrung der Einziehungsverfügung unterlassene Hinweis auf die Widers...

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