Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung zum Anbau eines Pfandraumes an einem bestehenden Lebensmittelmarkt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustellung eines Widerspruchsbescheides mittels Einwurf-Einschreiben ist unzulässig.
2. Der in einem Allgemeinen Wohngebiet lebende Nachbar kann sich zur Abwehr der Erweiterung eines Lebensmittelmarktes in einem Gebiet nach § 34 Abs. 1 BauGB nur auf das Gebot der Rücksichtnahme stützen. Die objektive Rechtmäßigkeit des Vorhabens spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Normenkette
BauGB § 34 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die der Beigeladenen im Mai 2005 erteilte Baugenehmigung zum Anbau eines Pfandraumes an einen bestehenden Lebensmittelmarkt in A-Stadt.
Er ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens in A-Stadt, W. Straße Nr. 116 (L I. O Nr. 170), Gemarkung B., Flur 1, Flurstück 19/23, für das in einem Bebauungsplan ein Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist.
Auf der gegenüberliegenden Seite der W. Straße befindet sich das aus den Flurstücken 5/0, 6/1, 6/2 und 7/1 bestehende Vorhabengrundstück, auf dem die Beigeladene einen Lebensmittelmarkt betreibt. Ein Bebauungsplan existiert für diese Straßenseite nicht. Der Lebensmittelmarkt wurde aufgrund des Bauscheines der Beklagten vom 24.05.2000 – 19/00 – errichtet, gegen den der Kläger den Rechtsweg beschritten hat. Mit Beschluss vom 22.11.2000 – 5 F 48/00 – wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung zurückgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde blieb beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes erfolglos (Beschluss vom 31.01.2001 – 2 V 15/00 –). In der Hauptsache wurde die auf die Aufhebung der Baugenehmigung gerichtete Klage mit Urteil der Kammer vom 11.04.2002 – 5 K 263/01 – abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG des Saarlandes mit Beschluss vom 18.10.2002 – 2 Q 3/02 – ab.
Auf dem nordwestlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Flurstück 24/7 wird aufgrund einer Baugenehmigung vom 18.01.2005 straßennah eine SB-Waschanlage mit 4 Waschplätzen betrieben. Die vom Kläger gegen diese Baugenehmigung gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 29.11.2006 – 5 K 25/06 – abgewiesen. Über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat das OVG des Saarlandes noch nicht entschieden.
Mit Bauschein vom 16.10.2003 – 433/03-ga/cw – erhielt die Beigeladene die (in der Folgezeit nicht ausgenutzte) Genehmigung zum „Anbau eines Pfandraumes an den Lidl Lebensmittelmarkt”. Der seinerzeit genehmigte (13,96 m lange und 5,00 m breite) Anbau sollte ausweislich der Betriebsbeschreibung der automatisierten Annahme und Lagerung des Leergutes dienen.
Unter dem 25.04.2005 beantragte die Verwaltungsvertreterin der Beigeladenen bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung als „Nachtrag zum Anbau eines Pfandraumes (Az. 433/03) über die Änderung des Pfandraumes in einen Pfandcontainer”.
Mit dem nunmehr im Streit stehenden Bauschein vom 30.05.2005 – 294/04 – genehmigte die Beklagte der Verwaltungsvertreterin der Beigeladenen den „Umbau eines Pfandraumes” auf dem Vorhabengrundstück. Ausweislich der genehmigten Pläne befinden sich in dem Pfandcontainer ein nicht vom Markt, sondern von der Freifläche aus zu betretender Kundenraum mit den Maßen 2,90 m × 4,50 m (= 13,05 qm) sowie das vom Verkaufsraum des Marktes durch eine Tür zu betretende Pfandlager mit den Maßen 12,65 m × 4,50 m (= 56,925 qm). Die Außenmaße des Pfandcontainers (Betonfertigteil) betragen 15,85 m × 4,70 m (= 74,495 qm). Auf Antrag der Beigeladenen wurde der Bauschein vom 30.05.2005 am 09.06.2005 auf die Beigeladene (selbst) umgeschrieben.
Gegen die ihm nicht förmlich zugestellten „Baugenehmigungen zur Errichtung eines Pfandraumes” erhob der Kläger am 09.01.2006 bei der Beklagten Widerspruch.
Der Kreisrechtsausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2007 zurück: Die Zulässigkeit des mit dem Bauschein vom 30.05.2005 zugelassenen Vorhabens beurteile sich nach § 34 BauGB. Ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch könne sich nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme ergeben. Von der Art der baulichen Nutzung her sei der Betrieb des Lebensmittelmarktes und damit auch des dazu gehörenden Pfandraumes in dem von Wohnbebauung und gewerblicher Nutzung geprägten Gebiet zulässig. Dass es sich bei dem Lebensmittelmarkt nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handele, der nach § 11 BauNV...