Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis bei Behandlung einer psychischen Erkrankung und Anfechtung eines Gebührenbescheides betreffend Vollziehungsmaßnahmen zur Einziehung eines Führerscheines

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den formellen und materiellen Voraussetzungen der Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens und der Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtbeibringung des Gutachtens (Gefahrenverdacht)

2. Zur Ausfüllung des Gebührenrahmens nach Nr. 254 der Anlage zu § 1 Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr bei Maßnahmen zur Vollstreckung einer Entziehung der Fahrerlaubnis (Einziehung des Führerscheines)

 

Normenkette

StVG § 2 Abs. 8, §§ 3, 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2-3; FeV § 11 Abs. 2, 6, 8, § 46 Abs. 1-2; VwKostG § 14 Abs. 2 S. 1; GebOSt § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 6a, § 4 Abs. 1 Nr. 1; GebOSt Nr. 254 der Anlage zu § 1

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 9.1.2008 über die Festsetzung von Verwaltungsgebühren und Kosten (Az.: 32.4/12950) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.3.2009 wird aufgehoben, soweit der festgesetzte Gesamtbetrag an Gebühren und Kosten 128,45 EUR übersteigt.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis (der früheren Klasse 3), welche die Beklagte verfügt hat, nachdem er ein von ihm gefordertes ärztliches Gutachten zur Aufklärung behördlicher Bedenken an seiner Kraftfahreignung nicht beigebracht hat. Ferner richtet sich die Klage gegen die für die Einziehung des Führerscheins durch gesonderten Bescheid festgesetzten Gebühren.

Der Kläger wird wegen einer bei ihm bestehenden endogenen Psychose bereits seit ca. 1980 fachärztlich behandelt. Die Behandlung erfolgte nach seinen Angaben zunächst teils ambulant und teils stationär, mit einzelnen Klinikaufenthalten 1980 und 1982 (Klinik S…), mehrmaliger stationärer Aufnahme in den Jahren 1986/87 sowie letztmals von Mitte Oktober bis Mitte November 1999 (Klinik S…). Seit 1994 steht der Kläger in der ambulanten nervenärztlichen Behandlung bei den Fachärzten H…, S… und S… in S… und erhält fortlaufend eine medikamentöse Therapie mit dem Neuroleptikum Haldol (Decanat 1,5 ml), welches ihm vierwöchentlich verabreicht wird.

Der Kläger ist bereits in der Vergangenheit verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. So meldete sich dessen Vater im Juni 1994 bei der Polizeiinspektion S… und erklärte, dass sein Sohn unter einer Psychose leide, weshalb dieser einmal monatlich mittels einer “Depot-Spritze” behandelt werde und seines Erachtens die für diesen Monat bereits verabreichte Spritze nicht ausreiche. Der Vater des Klägers äußerte die Befürchtung, dass der Kläger möglicherweise “wie ein wilder in der Gegend umherfahren” könne. Aufgrund dieser Informationen leitete die Polizei nach weiteren Vorermittlungen eine Suche nach dem Kläger bzw. dessen Pkw ein. Weitere Maßnahmen der Polizei oder Ergebnisse der bereits eingeleiteten Maßnahmen sind den beigezogenen Akten nicht zu entnehmen.

Aktenkundig sind indes mehrere, mit Fahrzeugen des Klägers im Jahre 1998 begangene Verkehrsverstöße. Nach der Sachverhaltsschilderung in einer Strafanzeige war der als etwa 30 Jahre alt und mit auffallend kurzen, hellblonden Haaren beschriebene Fahrer eines auf den Kläger zugelassenen Peugeot am 16.6.1998 gegen 7:40 Uhr mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Vorfahrtsstraße eingebogen, so dass ein auf jener Straße fahrender Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug bis zum Stillstand abbremsen musste, um einen Unfall zu vermeiden. Nach diesem Beinahe-Unfall wich der Fahrer des Peugeot mit seinem Fahrzeug zunächst noch einem entgegenkommenden, ebenfalls bis zum Stillstand abgebremsten Lkw aus, wobei er im Zuge seines Ausweichmanövers eine auf dem Bürgersteig gehende Passantin gefährdete, um sodann die Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fortzusetzen.

Ähnliche Fälle von Gefährdungen des Straßenverkehrs, die mit dem auf den Kläger zugelassenen Peugeot am 30.5.1998, 30.6.1998 und 3.7.1998 (Unfall mit Fahrerflucht) begangen wurden, gelangten bei der Polizeiinspektion S… zur Anzeige. Dabei berichteten die jeweiligen Zeugen wiederholt, dass das Fahrzeug in Schlangenlinien fuhr und/oder von der Fahrbahn abkam oder die Gegenfahrbahn benutzte und der Eindruck entstand, der Fahrer sei alkoholisiert. Darüber hinaus kam es nach dem Inhalt einer bei der Autobahnpolizei H… erstatteten Anzeige auf der Bundesautobahn 7, Richtung H…, am 15.8.1998 zu einem weiteren Zwischenfall mit einem auf den Kläger zugelassenen VW-Golf, dessen Fahrer einen von hinten herannahenden Verkehrsteilnehmer absichtlich am Überholen hindert...

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