Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwassergebührenbescheide. formelle Rechtmäßigkeit. Bestimmbarkeit. Unterschriftserfordernis. Einstellung von Fremdleistungsentgelten in die Gebührenkalkulation. Beachtung des Grundsatzes der Erforderlichkeit der Fremdleistungsentgelte. Beachtung der Vorschriften des Vergaberechts. In-house-Geschäft
Leitsatz (amtlich)
1. Maßstab für die Auslegung eines Gebührenbescheides im Hinblick auf die Bestimmbarkeit des Adressaten, des Absenders und der Regelung ist ein verständiger Empfänger.
2. Fremdleistungsentgelte dürfen nur insoweit in die Gebührenkalkulation eingestellt werden, als der Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten beachtet worden ist; zu den hierbei zu beachtenden Prüfungskriterien.
3. Eine noch so geringe private Beteiligung an einer städtischen Gesellschaft führt unter Berücksichtigung der Richtlinie 97/52/EG und der Rechtsprechung des EuGH dazu, dass kein vergabefreies In-house-Geschäft mehr vorliegt.
Normenkette
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 3b; AO § 119
Tenor
1. Die Abwassergebührenbescheide des Beklagten vom 17. und 18.01.2004 sowie die Widerspruchsbescheide des Rechtsausschusses vom 20.05.2005 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken in A-Stadt mit den Parzellen Nrn. 86/6 (269 qm) und 86/4 (309 qm).
Mit „Jahresverbrauchsrechnung/Gebührenbescheid der Stadtwerke/A-Stadt” vom 18.01.2004 wurde er zu einer Niederschlagswassergebühr für das Jahr 2003 für das Flurstück 86/4 in Höhe von 216,55 EUR (gebührenrelevante Fläche: 305 qm × 0,71 EUR) und einer Schmutzwassergebühr in Höhe von 462,48 EUR (188 m³ × 2,46 EUR) auf der Grundlage der zum 11.10.2000 in Kraft getretenen Gebührensatzung zur Satzung der Stadt A-Stadt für den Entwässerungsbetrieb über die Entwässerung der Grundstücke, den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung (Abwassergebührensatzung), mit der im Gebiet der Stadt A-Stadt erstmals die getrennte Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswasser eingeführt wurde, herangezogen. Für das Grundstück Parzelle Flur 86/6 wurde der Kläger mit „Jahresverbrauchsrechnung/Gebührenbescheid der Stadtwerke/A-Stadt” vom 18.01.2004 für das Jahr 2003 zu einer Niederschlagswassergebühr in Höhe von 163,30 EUR auf der Grundlage der genannten Abwassergebührensatzung herangezogen, wobei eine gebührenrelevante Fläche von 230 qm zugrunde gelegt wurde. Mit „Rechnung der Stadtwerke A-Stadt/Saar” vom 17.01.2004 (Nr. 209600410081) wurde der Kläger zu einer Schmutzwassergebühr für das Jahr 2003 in Höhe von 258,30 EUR herangezogen. In den „Jahresverbrauchsrechnungen/Gebührenbescheiden der Stadtwerke A-Stadt” ist jeweils ausgeführt:
„Stadt A-Stadt/Saar Entwässerungsbetrieb
Gebühren für den Entwässerungsbetrieb der Stadt/A-Stadt/Saar
Die Abwassergebühren werden im Auftrag und im Namen des Entwässerungsbetriebes der Stadt A-Stadt/Saar erhoben. Die Gebühr wird gemäß der Satzung der Stadt A-Stadt für den Entwässerungsbetrieb über die Entwässerung der Grundstücke, den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung (Abwassersatzung) sowie der Abwassergebührensatzung … in den jeweils geltenden Fassungen berechnet und erhoben. Die Rechnung der Stadtwerke A-Stadt/Saar ist gleichzeitig ein Abwassergebührenbescheid des Entwässerungsbetriebes der Stadt A-Stadt/Saar. Rechtsbehelfsbelehrung Gegen den Abwassergebührenbescheid kann …”.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Heranziehungsjahr Stadtratsmitglied, Mitglied des Werksausschusses des Entwässerungsbetriebes und Mitglied des Aufsichtsrates der Stadtwerke A-Stadt GmbH.
Der Entwässerungsbetrieb der Stadt A-Stadt war im Jahre 1991 als Eigenbetrieb gegründet worden.
Am 19.12.1997 hatten der Entwässerungsbetrieb der Stadt A-Stadt als Eigenbetrieb der Stadt mit der Firma Stadtwerke A-Stadt GmbH einen Entsorgungsvertrag geschlossen, mit dem die Stadtwerke A-Stadt GmbH als Betreiber als Erfüllungsgehilfe der Stadt die Investitions- und Finanzplanung, die Errichtung sowie den Betrieb der städtischen Abwasseranlagen übernahm, wobei hierunter insbesondere die Überwachung, Wartung und Reparatur des bestehenden und neu hinzukommenden Kanalnetzes einschließlich der Bauwerke sowie die Wartung eventueller Mess- und Kontrolleinrichtungen nebst Beseitigung vorhandener Mängel, die Entleerung von Hausklärgruben, die Reinigung der Kanäle und Bauwerke sowie der Betrieb aller technischen Einrichtungen fiel. Die Stadtwerke A-Stadt GmbH erhielten hierfür gemäß § 5 eine Grundvergütung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Höhe von 0,88 DM für jeden gemäß der Gebührensatzung des Entwässerungsgebiets abgerechneten Kubikmeter Abwasser. In § 5 Abs...