Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylrecht. Widerruf der Anerkennung als Flüchtling – Türkei, Exilpolitik

 

Normenkette

AuslG § 51 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2008 wird aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Kosten im Übrigen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 26.08.1989 mit seiner Ehefrau und drei minderjährigen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes der Beklagten vom 30.11.1990 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Auf seinen Folgeantrag verpflichtete das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit Urteil vom 17.10.2001 – 5 K 11/01.A – die Beklagte, festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Zur Begründung ist in dem Urteil ausgeführt, der Kläger sei durch seine Mittäterschaft an der Freiheitsberaubung im Zusammenhang mit der Besetzung des kenianischen Fremdenverkehrsbüros für die Sache der PKK/ERNK öffentlich eingetreten. Seine Beteiligung an der Aktion stütze den Verdacht türkischer Sicherheitskräfte, dass der Kläger sich separatistisch betätige und über Organisation und Struktur dieser Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland Auskunft geben könne. Wegen dieser dem Kläger vorgeworfenen politischen Aktivität, über die sowohl in der deutschen wie türkischen Presse ausführlich und teilweise unter Nennung des klägerischen Namens berichtet worden sei, drohe dem Kläger im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Daraufhin stellte das Bundesamt der Beklagten mit Bescheid vom 14.12.2001 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.

Mit Schreiben vom 19.06.2008 wurde der Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf angehört. Mit Bescheid vom 25.06.2008 widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 14.12.2001 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ergänzend wurde in dem Widerrufsbescheid festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, seit der Ausreise des Ausländers hätten sich Rechtslage und Menschenrechtssituation in der Türkei deutlich zum Positiven verändert. Soweit er wegen exilpolitischer Aktivitäten Schutz erhalten habe, könne dieser aufgrund der veränderten Lage in der Türkei nicht mehr aufrechterhalten werden. Seine Aktivitäten würden vom Profil her keineswegs einem heute von Maßnahmen türkischer Behörden bedrohten exilpolitischen Verhalten entsprechen. Von einer Exponiertheit sei im Falle des Klägers nicht mehr auszugehen. Zwar sei davon auszugehen, dass den türkischen Stellen die Verurteilung mit exilpolitischem Hintergrund bekannt sei. Angesichts seiner, allerdings ansonsten untergeordneten Bedeutung in der exilpolitischen Szene werde er nicht als ernstzunehmender Regimegegner durch türkische Behörden eingestuft. Ein weitergehendes Interesse an seiner Person bestehe auch deshalb nicht mehr, da die Ereignisse um die Verhaftung von PKK-Chef Öcalan nunmehr schon gut acht Jahre zurücklägen und historisch als überholt einzustufen seien. Soweit er Schutz wegen drohender menschenrechtswidriger Behandlung bei einer Einreise in die Türkei erhalten habe, könne dies heute mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

Gegen diesen Widerrufsbescheid, der am 26.06.2008 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, richtet sich die am 27.06.2008 bei Gericht eingegangene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, wegen seiner Mittäterschaft an der Freiheitsberaubung im Zusammenhang mit der Besetzung des kenianischen Fremdenverkehrsbüro, über die sowohl in der deutschen wie türkischen Presse ausführlich und teilweise unter Nennung seines Namens berichtet worden sei, drohe ihm im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, da er für die Ziele der PKK/ERNK in Deutschland eingetreten sei und er durch die Presseberichterstattung auch für die türkischen Sicherheitsbehörden problemlos identifizierbar gewesen sei. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass bei derartigen Gerichtsverfahren der türkische Geheimdienst sicherlich auch Prozessbeobachter in den Gerichtssaal schicke, falls nicht die eingesetzten Dolmetscher mit ihm zusammenarbeiten würden. In der Hauptverhandlung würden die Personalien der Angeklagten im Einzelnen genannt. Darüber hinaus gebe es zwischen der Türkei und Deutschland eine Unterrichtung über erfolgte Verurteilungen der jeweiligen Staat...

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