Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Anerkennung einer Begutachtungsstelle für Fahreignung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Befangenheit eines im Verwaltungsverfahren herangezogenen Sachverständigen, der selbst Fahreignungsgutachten erstellt.
2. Zur Frage des maßgebenden Zeitpunktes für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf (der Anerkennung einer Begutachtungsstelle für Fahreignung).
3. Für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung als Reaktion auf vorschriftswidriges Verhalten kommt es entscheidend darauf an, ob die festgestellten Mängel zum maßgeblichen Zeitpunkt die Prognose rechtfertigen, dass die Klägerin nicht die Gewähr dafür bietet, dass keine Gutachten ausgegeben werden, die nicht oder nicht vollinhaltlich den Tatsachen oder den Anforderungen an die Gutachtenerstellung entsprechen.
4. Zur Frage der Berücksichtigung der Akkreditierung einer Begutachtungsstelle für Fahreignung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST.) gemäß § 72 FeV nach Widerruf der amtlichen Anordnung.
Normenkette
FeV § 72; StVG § 2 Abs. 13; FeV § 66
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 04. April 2006 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Trägerin einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 66 FeV und wendet sich gegen den Widerruf der amtlichen Anerkennung der Begutachtungsstelle durch den Beklagten.
Unter dem 07.10.2003 beantragte die Klägerin bei der Bundesanstalt für Straßenwesen – BASt – gemäß § 72 FeV ihre Akkreditierung als Trägerin von Begutachtungsstellen für Fahreignung. Mit Schreiben vom 11.11.2004 teilte die BASt der Klägerin im laufenden Akkreditierungsverfahren mit, dass gegen die Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin als Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung seitens der Akkreditierungsstelle Fahrerlaubniswesen keine Einwände bestehen. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 22.11.2004, ergänzt mit Schreiben vom 20.12.2004, beim Beklagten die amtliche Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 66 FeV.
Mit Bescheid des Beklagten vom 10.01.2005 wurde die Klägerin unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs im Saarland als Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung von medizinisch-psychologischen Gutachten über die geistige und körperliche Eignung zum Führen von Fahrzeugen gemäß § 2 Abs. 13 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. § 66 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) amtlich anerkannt. Der Anerkennungsbescheid enthält u. a. folgende Nebenbestimmungen:
”1. Anforderungen an den Träger von Begutachtungen für Fahreignung
1.1. Der Träger der Begutachtungsstelle muss gem. § 72 FeV von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) akkreditiert sein. Der Nachweis über die erfolgte Erstakkreditierung ist vorzulegen. Mit der Begutachtung darf nicht vor der erforderlichen Erstakkreditierung begonnen werden. Die jeweiligen Reakkreditierungen sind durch Vorlage der neuen Akkreditierungsurkunde jeweils vor Ablauf der fünfjährigen Frist, in der die Gültigkeit der Akkreditierung/Reakkreditierung abläuft, der Anerkennungsbehörde nachzuweisen. …
4. Methoden der Untersuchung und Begutachtung
4.1. Die Gutachter haben ihre Gutachten unabhängig und in eigener Verantwortung zu erstellen. Das Untersuchungs- und Begutachtungskonzept muss den Grundsätzen nach Anlage 15 FeV sowie den Begutachtungsleitlinien ‚Kraftfahreignung’ entsprechen. …
4.3. Es dürfen keine Probanden begutachtet werden, die von den bei der Untersuchungsstelle angestellten oder auf Honorarbasis beschäftigten Personen vordiagnostiziert, vorgeschult oder therapiert wurden. Einzelberatungen eines Gutachters mit dem Ziel, Informationen, Ratschläge und Empfehlungen zur Wiederherstellung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu vermitteln, sind zulässig. Es ist sicherzustellen, dass eine strikte Trennung zwischen Berater und Gutachter erfolgt (s. auch Ziff. 4 der Anlage 15 FeV).
5. Anforderungen an den Inhalt von Gutachten
Die zu erstellenden Gutachten sollen eine Gliederung in Einleitung, Fragestellung, Vorgeschichte, Befunde, Diagnose, Beurteilung und Zusammenfassung aufweisen und im Übrigen Ziff. 2 der Anlage 15 FeV entsprechen. Äußerungen des Probanden im Explorationsgespräch sind – sofern sie ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung haben – im Gutachten auszugsweise wörtlich wiederzugeben.”
Des Weiteren ist in den Anerkennungsbescheid folgender „Widerrufsvorbehalt” aufgenommen:
„Die Anerkennung wird unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Ein Widerrufsgrund liegt insbesondere vor, wenn
- einer der vorgenannten Nebenbesti...