Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtliche Anerkennung bzw. Widerruf der Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Betätigung als amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreigung im Sinne des § 66 FeV unterfällt dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Das gilt auch, wenn die amtliche Anerkennung erfolgt ist, obwohl das Akkreditierungsverfahren bei der Bundesanstalt für Straßenwesen gemäß § 72 FeV noch nicht abgeschlossen ist.
2. Will die Anerkennungsbehörde die Anerkennung als Begutachtungsstelle widerrufen, so hat sie die grundrechtlich geschützten privaten Belange des Trägers der Begutachtungsstelle mit dem ihnen zukommenden Gewicht in das von ihr nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SVwVfG auszuübende Ermessen einzustellen und gegen das öffentliche Widerrufsinteresse abzuwägen.
Normenkette
FeV §§ 66, 72; GG Art. 12 Abs. 1; SVwVfG § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der am 04.04.2006 erhobenen Klage 3 K 260/06 der Antragstellerin gegen den Widerrufsbescheid des Antragsgegners vom 04.04.2006 wird wiederhergestellt mit der Maßgabe, dass die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn die im derzeit laufenden Verfahren beantragte Akkreditierung der Antragstellerin durch die Bundesanstalt für Straßenwesen abgelehnt wird.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen den vom Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügten Widerruf der amtlichen Anerkennung der Antragstellerin als Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 66 FeV.
Ihre Anerkennung beantragte die Antragstellerin mit an den Antragsgegner gerichtetem Schreiben vom 22.11.2004, nachdem das Bundesamt für Straßenwesen – BASt – im Rahmen des nach § 72 FeV bereits zuvor eingeleiteten, bis dato allerdings noch nicht abgeschlossenen Akkreditierungsverfahrens mit an die Antragstellerin gerichtetem Schreiben vom 11.11.2004 mitgeteilt hatte, „dass gegen die Aufnahme der Tätigkeit” der Antragstellerin „als Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung seitens der Akkreditierungsstelle Fahrerlaubniswesen keine Einwände bestehen”.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 10.01.2005 wurde die Antragstellerin „- unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs – im Saarland als Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung von medizinisch-psychologischen Gutachten über die geistige und körperliche Eignung zum Führen von Fahrzeugen gemäß §§ 2 Abs. 13 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 66 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) amtlich anerkannt”. Der Anerkennungsbescheid enthält unter anderem folgende Nebenbestimmungen:
„1. Anforderungen an den Träger von Begutachtungen für Fahreignung
1.1. Der Träger der Begutachtungsstelle muss gem. § 72 FeV von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) akkreditiert sein.
Der Nachweis über die erfolgte Erstakkreditierung ist vorzulegen. Mit der Begutachtung darf nicht vor der erforderlichen Erstakkreditierung begonnen werden. Die jeweiligen Reakkreditierungen sind durch Vorlage der neuen Akkreditierungsurkunde jeweils vor Ablauf der fünfjährigen Frist, in der die Gültigkeit der Akkreditierung/Reakkreditierung abläuft, der Anerkennungsbehörde nachzuweisen.”
…
4. Methoden der Untersuchung und Begutachtung
4.1. Die Gutachter haben ihre Gutachten unabhängig und in eigener Verantwortung zu erstellen. Das Untersuchungs- und Begutachtungskonzept muss den Grundsätzen nach Anlage 15 FeV sowie den Begutachtungsleitlinien ‚Kraftfahreignung’ entsprechen.
…
4.3. Es dürfen keine Probanden begutachtet werden, die von den bei der Untersuchungsstelle angestellten oder auf Honorarbasis beschäftigten Personen vordiagnostiziert, vorgeschult oder therapiert wurden. Einzelberatungen eines Gutachters mit dem Ziel, Informationen, Ratschläge und Empfehlungen zur Wiederherstellung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu vermitteln, sind zulässig. Es ist sicherzustellen, dass eine strikte Trennung zwischen Berater und Gutachter erfolgt (s. auch Ziff. 4 der Anlage 15 FeV).
5. Anforderungen an den Inhalt von Gutachten
Die zu erstellenden Gutachten sollen eine Gliederung in Einleitung, Fragestellung, Vorgeschichte, Befunde, Diagnose, Beurteilung und Zusammenfassung aufweisen und im übrigen Ziff. 2 der Anlage 15 FeV entsprechen. Äußerungen des Probanden im Explorationsgespräch sind – sofern sie ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung haben – im Gutachten auszugsweise wörtlich wiederzugeben.”
Des Weiteren ist in den Anerkennungsbescheid folgender „Widerrufsvorbehalt” aufgenommen:
„Die Anerkennung wird unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Ein Widerrufsgrund liegt insbesondere vor, wenn
- einer der vorgenannten Nebenbestimmungen zuwider gehandelt wird,
- Gutachten ausgegeben werden, die nicht oder nicht vollinhaltlich den Tatsachen oder den Anforderungen an die Gutachtenerstellung entsprechen,
- die Voraussetzungen nach Anlage 14 FeV nicht mehr gegeben sind, insbesondere die Akkreditierung von der B...