Entscheidungsstichwort (Thema)
Begutachtungsstelle. Fahreignung. Akkreditierung
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Widerruf der Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung kommt es darauf an, ob die festgestellten Mängel zum maßgeblichen Zeitpunkt die Prognose rechtfertigen, dass die Begutachtungsstelle nicht die Gewähr dafür bietet, dass keine Gutachten ausgegeben werden, die nicht oder nicht vollinhaltlich den Tatsachen oder den Anforderungen an die Gutachtenerstellung entsprechen.
2. Ist die Begutachtungsstelle so gestellt, dass durch die Akkreditierung ihre fachliche Kompetenz für die von ihr zu übernehmenden Aufgaben bestätigt ist, ist eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht erkennbar.
Normenkette
FeV § 72; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Mai 2006 – 3 F 16/06 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Zwischenverfahrens – 1 U 1/06 – fallen dem Antragsgegner zur Last.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin – 6 K 76/06 (vorgehend: 3 K 260/06) – gegen den Widerruf ihrer Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 66 FeV durch den Bescheid des Antragsgegners vom 4.4.2006 wiederhergestellt wurde mit der Maßgabe, dass die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn die beantragte und inzwischen unter dem 14.6.2006 nach § 72 FeV erfolgte Akkreditierung der Antragstellerin als Trägerin von Begutachtungsstellen durch die Bundesanstalt für Straßenwesen abgelehnt wird, ist nicht begründet.
Das nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO den Prüfungsumfang durch den Senat beschränkende Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids zu rechtfertigen.
Auch unter Würdigung des Beschwerdevorbringens stellt sich der streitige Widerruf nicht als offensichtlich rechtmäßig dar. Die Vereinbarkeit des im Ermessen des Antragsgegners stehenden Widerrufs der Anerkennung als Begutachtungsstelle für Fahreignung mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen unter Beachtung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit und den berechtigten Belangen der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs bedarf der vertieften Prüfung im Hauptsacheverfahren.
Ausgehend von den nachgewiesenen grob fehlerhaften Gutachten kommt es in tatbestandlicher Hinsicht entscheidend darauf an, ob die festgestellten Mängel, die mit der früheren personellen Zusammensetzung der Begutachtungsstelle verknüpft sind, zum maßgeblichen Zeitpunkt die Prognose rechtfertigen, dass die Antragstellerin nicht die Gewähr dafür bietet, dass keine Gutachten ausgegeben werden, die nicht oder nicht vollinhaltlich den Tatsachen oder den Anforderungen an die Gutachtenerstellung entsprechen
vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.7.1999 – 2 W 4/99 –, AS RP-SL 28, 125, den Widerruf einer Krankentransportgenehmigung betreffend.
In diesem Zusammenhang kommt dem Begriff der „Gewähr” nicht die Bedeutung eines absoluten Ausschlusses fehlerhafter Gutachten zu. Auch bei sorgfältiger Unternehmensführung lassen sich aufgrund der allgemeinen menschlichen Unzulänglichkeit einzelne fehlerhafte Ergebnisse nicht ausschließen. Gleichzeitig ist der vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Besonderheit der im Vorgriff auf die Akkreditierung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen erfolgten Anerkennung der Antragstellerin Rechnung zu tragen, wonach es dem Wesen dieses Verfahrens entspricht, nicht nur Begutachtungsmängel mit der Folge einer Ablehnung der Akkreditierung aufzudecken, sondern vielmehr der Begutachtungsstelle auch Gelegenheit zu geben, festgestellte Mängel zu beseitigen. Dabei gewinnt der Umstand Bedeutung, dass die streitige Anerkennung für alle Beteiligten erkennbar vom Einverständnis der Bundesanstalt für Straßenwesen mit der vorläufigen Aufnahme der Tätigkeit durch die Antragstellerin abhängig war. Zum Fortbestand dieses Einverständnisses hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 23.6.2006 vorgetragen, stets in einvernehmlicher Abstimmung mit der Bundesanstalt für Straßenwesen gehandelt zu haben; der Widerruf mit Sofortvollzug sei auch von dieser für erforderlich angesehen worden. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass zum Zeitpunkt des streitigen Widerrufs vom 4.4.2006, wie von Prof. Dr. Stephan in seiner fachwissenschaftlichen Stellungnahme vom 14.3.2006 ausgeführt, tatsächlich weder in Gegenwart noch in Zukunft erwartet werden konnte, dass durch die Antragstellerin in ihrer damaligen konkreten Ausgestaltung nachprüfbare, neutrale und für eine sachgerechte Entscheidungsfindung der Behörden geeignete Gutachten erstellt werden. Dieser Prognose stünde nicht zwang...