Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht. unglaubhaftes Vorbringen. Nichtvorliegen von Abschiebehindernissen
Normenkette
EMRK Art. 3; Richtlinie 2004/83/EG Art. 15c, 18; AufenthG §§ 60, 60a Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, irakischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit, stellte am 12.03.2008 Asylantrag.
Bei seiner Anhörung am gleichen Tag erklärte er, er habe in Bagdad bis zu seiner Ausreise ein eigenes Schreibbüro betrieben. Am 29.10.2007 sei das Haus, in dem er gewohnt habe, in die Luft gesprengt worden. Bei der Explosion sei seine Frau ums Leben gekommen und sein Sohn schwer verletzt worden. Am 04.11.2007 sei er selbst entführt worden, als er sich auf der Rückfahrt von seinem Arbeitsplatz befunden habe. Auf einer Brücke sei er in seinem Auto von zwei anderen Autos in die Zange genommen und von bewaffneten Männern zum Aussteigen gezwungen worden. Man habe ihm die Hände auf den Rücken gebunden, ihn in den Kofferraum eines Autos geworfen und sei mit ihm weggefahren. Zwei Wochen lang habe er in gebeugter und gebückter Haltung mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden kauern müssen. Er habe so viele Schläge erhalten, dass er auf seinem linken Ohr nichts mehr hören könne. Man habe ihn als Ungläubigen bezeichnet und ihm vorgeworfen, islamische Tatsachen zu verfälschen. Grund sei gewesen, dass er schiitische Religionsbücher bearbeitet habe. Man habe ihn auch als Safawit bezeichnet. Nach neun Tagen Gefangenschaft habe man ihm einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt und ihm ein Seil um den Hals gebunden. Man habe so getan, als wolle man ihn hinrichten. Mit dem Seil um den Hals habe man ihn auf einen Stuhl gesetzt und ihn dann vom Stuhl heruntergestoßen. Das Seil sei jedoch nicht fest gewesen und er sei mit dem Seil zusammen auf dem Boden gelandet. Sein Vater habe schließlich ein Lösegeld in Höhe von 15.000 US Dollar gezahlt. Nach der Freilassung sei er zur Familie seiner Ehefrau gegangen und in einem sehr schlechten Gesundheitszustand gewesen. Nachdem es ihm besser gegangen sei, habe er beschlossen, den Irak zu verlassen.
Die Leute, die den Anschlag auf sein Haus verübt hätten, kenne er nicht. Die Leute, die ihn entführt hätten, seien vermutlich islamische Fundamentalisten und Sunniten. Letztlich hätten ihm seine Entführer geglaubt, dass er für den Inhalt der Bücher nicht verantwortlich sei, sondern nur das Layout liefere. Deshalb hätten sie auch das Lösegeld akzeptiert. Freigelassen worden sei er nur unter der Maßgabe, dass Lösegeld gezahlt werde und er den Irak verlasse. Wie die Übergabe des Lösegelds erfolgt sei, wisse er nicht, das habe alles sein Vater geregelt. Bei der Freilassung sei er wieder in den Kofferraum eines Autos geworfen und ca. 1 km von seinem Haus entfernt auf die Straße geworfen worden. Warum man gerade im Jahr 2007 auf ihn aufmerksam geworden sei, obwohl er die Tätigkeit in seinem Schreibbüro bereits seit 2001 ausübe, wisse er nicht.
Mit Bescheid vom 06.04.2009 lehnte das Bundesamt der Beklagten den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Irak zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert. Zur Begründung heißt es, die Berufung auf das Asylgrundrecht sei ausgeschlossen, weil der Kläger auf dem Landweg und damit über sichere Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Nicht ersichtlich sei zunächst, dass der Kläger vor seiner Ausreise asylrechtlich relevanter Verfolgung von Seiten des irakischen Staates ausgesetzt gewesen sei. Die angeblich erlittene Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure könne dem Kläger nicht geglaubt werden. Aus seinem Vorbringen sei zunächst nicht erkennbar, warum jemand gezielt einen Anschlag auf ihn verüben sollte. Auch die von ihm geschilderte angebliche Entführung sei so nicht glaubhaft. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3-7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Zunächst bestehe kein europarechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie, da der Kläger bei Rückkehr in den Irak keiner erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Der in der Herkunftsregion des Klägers, nämlich der Provinz Bagdad, herrschende Konflikt, erreiche kein so hohes Niveau, dass stichhaltige Grün...