Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Anfechtung der Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum durch Nachbargemeinde
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausfertigung eines Bebauungsplans geht ins Leere, wenn die Planurkunde die mit dem Satzungsbeschluss festgelegten Änderungen des Planentwurfs nicht enthält.
2. Ein solcher Ausfertigungsmangel kann grundsätzlich durch eine Berichtigung der Planurkunde, erneute Ausfertigung und rückwirkende Inkraftsetzung im Wege eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden.
3. Ausnahmsweise scheidet die Fehlerbehebung eines nicht wirksam ausgefertigten Bebauungsplans u.a. aus, wenn das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis aufgrund einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse unhaltbar geworden ist.
4. Ein nicht wirksam ausgefertigter Bebauungsplan, der die Errichtung eines Einkaufszentrums in einem Gewerbe- und Industriegebiet ermöglicht, darf nach dem Inkrafttreten des Landesentwicklungsplans Siedlung (des Saarlandes) vom 04.07.2006 nicht mehr nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden.
5. Eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einkaufszentrums im Außenbereich kann von der Nachbargemeinde mit Erfolg angegriffen werden, weil die Zulassung eines Einkaufszentrums grundsätzlich eine förmliche Planung unter Beteiligung der Nachbargemeinde (§ 2 Abs. 2 BauGB) erfordert.
6. Der Einwand der Standortgemeinde, die Nachbargemeinde halte sich (auch) nicht an die Zielvorgaben des Landesentwicklungsplans, ist im Rahmen des erforderlichen Raumordnungsverfahrens und der Planaufstellung zu berücksichtigen, nicht jedoch im Verfahren gegen die erteilte Baugenehmigung.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 28 Abs. 2 S. 1; LV SL Art. 102, 104 Abs. 2; BauGB § 1 Abs. 3-4, 6, § 2 Abs. 2, 4, § 8 Abs. 2; BauGB 1998 § 10 Abs. 3; BauGB § 19 Abs. 1 Nr. 3, § 29 S. 1, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 34 Abs. 1, 3, § 35 Abs. 2-3, § 36 Abs. 1, § 214 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 215a Abs. 1, § 2 Abs. 6, § 9 Abs. 1, 5, §§ 10-12; BauNVO § 1 Abs. 9; BauNVO 1962 § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 9; BauNVO § 11 Abs. 3 Nrn. 1, 3, §§ 15, 17; KSVG § 59 Abs. 2 S. 2; ROG §§ 3, 4 Abs. 3, § 15 Abs. 1; SLPG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 2, § 11 Abs. 1
Tenor
Die Baugenehmigung vom 03.06.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 13.11.2008 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 1. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der die Vollstreckung betreibende Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Kreisstadt S… wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einkaufszentrums mit einer Gesamtnutzfläche von 18.480 qm und 454 Pkw-Stellplätzen auf einem 26.137 qm großen Grundstück in der Nachbargemeinde Ensdorf.
Mit Bauantrag vom 12.08.1996 beantragte die frühere Beigeladene zu 1. beim Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zum “Neubau eines Warengeschäftshauses” auf dem Vorhabengrundstück. Der Beklagte hielt die Einholung eines Verkehrsgutachtens für notwendig, um beurteilen zu können, ob die Erschließung gesichert sei. Unter dem 27.09.2004 erteilte der Beklagte der Klägerin sodann einen Vorbescheid für dieses Vorhaben, der mit weiterem Bescheid vom 02.07.2007 bis zum 28.09.2008 verlängert wurde. (Gegen den Vorbescheid und dessen Verlängerung hat die Klägerin am 10.12.2009 Widerspruch erhoben.)
Mit Bauschein vom 03.06.2008 wurde der früheren Beigeladenen zu 1. die Baugenehmigung zum “Neubau eines Einkaufszentrums (Nutzung gemäß formloser Baubeschreibung vom 29.02.2008), 3.000 kW Feuerungsanlage, 454 Pkw-Stellplätze” auf dem Grundstück in Ensdorf erteilt. Weiterhin wurde gemäß § 31 BauGB Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans “Ober dem Mühlenweg und Hohweiher” erteilt.
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans “Ober dem Mühlenweg und Hohweiher” der Gemeinde Ensdorf. Dieser Plan wurde am 22.01.1965 vom Gemeinderat als Satzung beschlossen. Im Rahmen der Beschlussfassung durch den Gemeinderat am 22.01.1965 wurden die Bedenken und Anregungen der Firma B… gegen die Planvorlage einstimmig anerkannt. Die Firma B… hatte im Vorfeld angeregt, die Baugrenze an der Westseite ihres Grundstücks bis auf 6 m Abstand zur Straße zu verlegen, die nördliche Baugrenze entlang der Bundesbahn ohne Rücksprung in gerader Linie bis zum Ende ihres Baugrundstücks zu führen und die Grundflächenzahl im gesamten Gebiet des Bebauungsplanes entsprechend § 17 BauNVO auf das höchstzulässige Maß von 0,7 und die Baumassenzahl auf 6,0 heraufzusetzen (vorher 0,5 bzw. 4,5). Diese Änderungen fanden indes k...