Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenbescheid bei Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gebühr für die Erteilung einer Abweichung nach § 68 Abs. 1 LBO von der Einhaltung der Abstandsflächen darf nicht verlangt werden, wenn nach § 7 Abs. 1 Satz 3 LBO ohne Grenzabstand gebaut werden darf, weil auf dem Nachbargrundstück innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche bereits ein Gebäude ohne Grenzabstand vorhanden ist. Dies gilt nach der Neufassung der Landesbauordnung durch das Gesetz Nr. 1544 vom 18. Februar 2004 auch dann, wenn der Grenzbau in Breite und Höhe nicht deckungsgleich mit der vorhandenen Grenzbebauung ist.
2. Eine Gebühr darf in einem solchen Fall auch dann nicht verlangt werden, wenn der Bauherr gleichwohl eine Abweichung beantragt hat und sie ihm antragsgemäß gewährt worden ist.
Normenkette
LBO § 7 Abs. 1 S. 3, §§ 8, 64, 68 Abs. 1; BauNVO § 22 Abs. 3; SaarIGebG § 1 Abs. 1a, 2, § 5 Abs. 2; SaarlGebG § 6 Abs. 3
Tenor
Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 20.02.2008 in der Fassung des auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2008 ergangenen Widerspruchsbescheides wird hinsichtlich eines Betrages von 5.610,-- Euro aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Vierteln.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.395,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die im Gebührenbescheid der Beklagten vom 20.02.2008 festgesetzte Befreiungsgebühr in Höhe von 7.395,-- Euro.
Mit Antrag vom 11.04.2007 – bei der Beklagten eingegangen am 11.12.2007 – beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Lager- und Maschinenhallen und den Umbau eines Bürogebäudes. Außerdem beantragte sie für ihr Bauvorhaben die Erteilung von Abweichungen von der Einhaltung der Abstandsflächen nach § 7 i.V.m. § 68 Abs. 1 LBO.
Die Beklagte erteilte mit Bescheiden vom 20.02.2008 die beantragte Baugenehmigung und gewährte die begehrten Abweichungen. Mit dem streitgegenständlichen Gebührenbescheid vom 20.02.2008 setzte die Beklagte eine Baugenehmigungsgebühr in Höhe von 1.326,51 Euro und eine Befreiungsgebühr in Höhe von 7.395,- Euro fest.
Gegen den Gebührenbescheid legte die Klägerin am 12.03.2008 hinsichtlich der Befreiungsgebühr Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, es habe keine Befreiungsgebühr festgesetzt werden dürfen, weil eine Befreiung nicht erforderlich gewesen sei. Denn wegen der zahlreichen Unterschreitungen der Abstandsflächen in der Umgebung habe auch ihr Vorhaben keine Abstandsflächen einhalten müssen.
Durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2008 ergangenem Widerspruchsbescheid wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In den Gründen heißt es, Rechtsgrundlage der Gebührenanforderung seien die einschlägigen Bestimmungen des Saarländischen Gebührengesetzes (SaarIGebG) und der gemäß § 5 Abs. 2 SaarIGebG ergangenen Verordnung über den Erlass eines besonderen Gebührenverzeichnisses für die Bauaufsichtsbehörden des Saarlandes vom 18.02.2004 (GebVerzBauaufsicht). Der Klägerin sei auf ihren Antrag ein Befreiungsbescheid erteilt worden. Die geltend gemachte Gebühr in Höhe von 7.395,-- Euro sei korrekt berechnet worden. Nach Ziffer 27.2.3 GebVerzBauaufsicht berechne sich die Befreiungsgebühr nach der Formel “Flächenvorteil (qm) × Bodenrichtwert (Euro/qm) × nutzungsabhängiger Prozentsatz (qm × Euro qm × 50 % für Gewerbe; sodann eine Verdoppelung dieses Wertes gemäß Ziffer 27.2.3 des besonderen Gebührenverzeichnisses”. Ausweislich der genehmigten Bauantragsunterlagen ergäben sich aus der Unterschreitung der Abstandsflächen zu den Nachbarflurstücken Vorteilsflächen von 48 qm, 18 qm sowie 21 qm, so dass insgesamt eine Vorteilsfläche von 87 qm gegeben sei. Dieser Betrag sei mit dem Bodenwert von derzeit 85 Euro/qm zu multiplizieren. Es ergebe sich auf Grund folgender Berechnung: Vorteilsfläche (87 qm) × Bodenwert (85,-- Euro) × nutzungsabhängigen Prozentsatz (50 %, Multiplikation mit Faktor 0,5) × 2 (doppelte Gebühr), eine Befreiungsgebühr in Höhe von 7.395,-- Euro. Der Beklagten sei bei der Festsetzung der Gebühr angesichts der zwingenden Vorschriften des Gebührenverzeichnisses kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Der von der Klägerin gegebene Hinweis, dass in dem streitbefangenen Gebiet zahlreiche Abstandsflächen unterschritten seien, sei ebenso wie die scheinbare Diskrepanz zwischen der eigentlichen Baugenehmigungsgebühr und der Befreiungsgebühr gebührenrechtlich unerheblich.
Der Bescheid wurde am 14.07.2008 zur Post g...