Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsverfügung gegen ein grenzständiges Schüttgutlager einer Baustoffhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO schreibt vor, dass neben der planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Grenzbebauung öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Eine solche öffentlich-rechtliche Sicherung in Form einer Baulast kann nicht dadurch ersetzt werden, dass auf dem Nachbargrundstück bereits eine grenzständige Bebauung vorhanden ist.
2. § 7 Abs. 1 Satz 3 LBO erlaubt eine Grenzbebauung bei vorhandenen grenzständigen baulichen Anlagen auf dem Nachbargrundstück nur insoweit, als die Grenzbebauung hinsichtlich ihrer Qualität nicht wesentlich von dem abweicht, was auf dem Nachbargrundstück bereits vorhanden ist.
3. Ein grenzständiges Schüttgutlager, das nur drei Meter von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Wohnhaus entfernt errichtet worden ist, verstößt gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 LBO und gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
4. Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht verpflichtet vor dem Erlass einer Beseitigungsverfügung Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich in der Umgebung der aufgegriffenen baulichen Anlage vergleichbare Anlagen befinden.
5. Ein Nachbar verwirkt seine Abwehrrechte gegen eine nachbarrechtswidrige bauliche Anlage dann nicht, wenn zwar seit der Errichtung der Anlage bereits eine längere Zeit vergangen ist (hier: ca. 13 Jahre) der Bauherr aber nicht im Vertrauen auf die Nichtausübung der Abwehrrechte solche Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen hat, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung der Abwehrrechte ein unzumutbarer Nachteil entsteht.
6. Die Einschreitensbefugnis der Bauaufsichtsbehörde kann nicht durch Verwirkung verloren gehen.
7. Es bedarf keiner Duldungsverfügung gegen den Grundstückseigentümer, wenn der Mieter des Grundstücks zur Beseitigung einer baulichen Anlage aufgefordert wird, die er selbst im Rahmen des Betriebes seiner Baustoffhandlung errichtet hat.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BauGB § 34 Abs. 1-2; BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2, § 22 Abs. 3; LBO § 2 Abs. 1, 11, § 3 Abs. 1 Nr. 2; LBO 1996 § 6 Abs. 1 S. 3, § 7 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1-2, S. 3, Abs. 5 S. 4, Abs. 7 S. 1, § 8 Abs. 2, §§ 61, 68 Abs. 1, § 73 Abs. 1, § 82 Abs. 1; BauO der Bayr. Art. 6 Abs. 1 S. 3; BauO NRW § 6 Abs. 1 S. 2 b); SVwVG § 18 Abs. 1; SVwVfG § 39 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die bauaufsichtliche Verfügung der Beklagten.
Sie betreibt auf dem im Eigentum der H… Baustoff Union GmbH stehenden Grundstück in der A…-Straße, in A…-Stadt, Flur, Parzellen Nrn. und einen Baustoffhandel. Auf der Parzelle Nr. hat sie grenzständig zum Grundstück der Beigeladenen, Parzelle Nr. , mehrere Schüttgutboxen aus Beton errichtet. Eine Baugenehmigung für die Anlage besteht nicht. Im Bereich der Schüttgutboxen befindet sich auf dem Grundstück der Beigeladenen keine grenzständige Bebauung. In der nordöstlichen Ecke dieser Parzelle steht ein ca. 20 m langes grenzständiges ehemaliges Lager- und Bürogebäude. Die Klägerin hat in diesem Bereich grenzständig ein offenes Lager für Baumaterialien errichtet. Südlich des Schüttgutlagers befindet sich auf dem Grundstück der Beigeladenen grenzständig ein weiteres ca. 7 m langes Gebäude, bei dem es sich um eine umgenutzte ehemalige Garage handelt.
Bei einer am 29.03.2007 auf dem Grundstück der Klägerin von Mitarbeitern der Beklagten durchgeführten Ortsbesichtigung wurde festgestellt, dass die Klägerin entlang der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen u.A. einen Lagerplatz für Flaschengas und ein Schüttgutlager errichtet hatte. Mit Schreiben vom 17.04.2007 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf den beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung bzgl. dieser Anlagen, die ohne Baugenehmigung errichtet worden seien. Die Beigeladene teilte der Beklagten mit, dass sie auf die Einhaltung der Vorschriften der LBO bestehe.
Der Beklagte erließ am 17.07.2007 den streitgegenständlichen Bescheid – der Klägerin zugestellt am 21.07.2007 –, mit dem die Klägerin aufgefordert wurde, die Schüttgüterboxen bis zum 01.09.2007 zu beseitigen. Für den Fall der Nichterfüllung der Anordnung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,– Euro angedroht und festgesetzt. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, die Klägerin habe auf ihrem Grundstück ohne Baugenehmigung Schüttgüterboxen errichtet. Diese hielten nicht die erforderlichen Abstandsflächen ein. Das Ermess...