Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht zum deckungsgleichen Anbau bei Grenzbebauung an ein bestehendes grenzständiges Gebäude
Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich während einer Nachbarklage auf bauaufsichtliches Einschreiten das Baurecht geändert, so ist für die Entscheidung des Gerichts auf die für den Bauherrn günstigste Rechtslage abzustellen.
2. Die Neufassung des Abstandsflächenrechts im Saarland durch die seit dem 1. Juni 2004 geltende Fassung der Landesbauordnung (LBO 2004) hat die Pflicht zum deckungsgleichen Anbau bei der Errichtung eines Grenzgebäudes an ein bereits bestehendes grenzständiges Gebäude entfallen lassen. Die Bautiefe und die Höhe des Vorhabens richten sich daher nicht mehr nach dem auf dem Nachbargrundstück vorhandenen Gebäude, sondern allein nach dem bauplanungsrechtlich zulässigen Maß der baulichen Nutzung.
Normenkette
LBO 2004 § 7 Abs. 1 S. 3; LBO § 6 Abs. 1 S. 3; BauGB § 34 Abs. 1; BauNVO §§ 22-23
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte oder der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,– Euro festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des in A-Stadt gelegenen Grundstücks A-Straße, Flur 00, Parzellen Nrn. 0 und 0, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Sie ist Nachbarin der Parzelle Nr. 0 (A-Straße), die im Eigentum des Beigeladenen steht. Das Wohnhaus der Klägerin ist teilweise grenzständig an das Wohnhaus des Beigeladenen angebaut. Der Beigeladene errichtete im Bereich des auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden Wohnhauses der Klägerin einen ca. 2,80 × 3,50 m großen Wintergarten, der sich als nicht deckungsgleicher Anbau an das Bauwerk der Klägerin darstellt und ca 1,20 m vor dessen Vorderfront vorspringt.
Die Klägerin forderte den Beklagten auf, gegen den Wintergarten des Beigeladenen einzuschreiten. Der Beigeladene teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 03.05.2004 mit, bei der baulichen Anlage handele es sich um einen Wetterschutz mit einer Grundfläche von weniger als 10 qm im Eingangsbereich seines Hauses. Dieser sei von einer Homburger Firma geplant und in den Monaten Januar und Februar 2002erstellt worden. Die Klägerin habe weder während der Bauzeit noch danach Einwendungen erhoben. Der Wetterschutz sei auf der im Eingangsbereich seines Hauses liegenden Terrasse errichtet worden, die bereits früher einen Wetterschutz besessen habe, der aber altersschwach gewesen sei. Die Terrasse sei mit dem Haus mit Bauschein Nr. 158/71 vom 21.05.1971 genehmigt worden.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.05.2004 lehnte den Antrag der Klägerin auf Beseitigung des Wintergartens des Beigeladenen mit der Begründung ab, die öffentlich rechtlichen Abwehrrechte der Klägerin seien verwirkt. Der Wintergarten sei vom Beigeladenen in den Monaten Januar und Februar 2002 errichtet worden sei. Während der Bauzeit und danach noch mindestens zwei Jahre habe die Klägerin keine Einwendungen gegen die bauliche Anlage bei der Bauaufsichtsbehörde geltend gemacht.
Gegen diesen am 08.05.2004 zugestellten Bescheid legte die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.05.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug die Klägerin vor, der Wintergarten sei von dem Beigeladenen erst nach Ostern 2002 errichtet worden. Sie habe im Spätsommer 2002 nach einem längeren Auslandsaufenthalt erstmals den Wintergarten zur Kenntnis genommen. Sie habe sich erkundigt und erfahren, dass der Wintergarten ohne Genehmigung errichtet worden sei. In der Folgezeit habe sie persönlich versucht, mit dem Beigeladenen eine Vereinbarung bezüglich des Wintergartens zu treffen. Da es sich um ihren früheren Ehemann gehandelt habe, sei es ihr übertrieben erschienen, sich sofort an die Bauaufsichtsbehörde zu wenden. Der Beigeladene habe sich auch verhandlungsbereit gegeben, so dass sie davon ausgegangen sei, die Angelegenheit könne einvernehmlich geregelt werden. Aufgrund mehrmonatiger Auslandsaufenthalte sei es ihr nicht möglich gewesen, Einwendungen geltend zu machen. Erst als der Beigeladene die Verhandlungen abgebrochen habe und eine Beseitigung abgelehnt habe, habe sie die Hilfe der Bauaufsicht in Anspruch genommen. Sie habe dem Beigeladenen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mit der nicht genehmigten Errichtung des Wintergartens nicht einverstanden sei und dagegen vorgehen wolle. Das Dach ihres Hauses überrage nicht wesentlich das Flachdach des Hauses des Beigeladenen. Aus der geänderten Fassung des § 7 Abs. 1 LBO könne nicht gefolgert werde, dass ein Nachbar, der selbst ohne Grenzabstand gebaut habe, in der Folge wahllos und unkontrolliert weitere Anbauten errichten d...