Entscheidungsstichwort (Thema)

Syrien-Rückkehrer-Gefährdung als Sänger kurdischer Lieder

 

Leitsatz (amtlich)

Eine glaubhafte exponierte Pflege der nationalen kurdischen Identität, die über bloße Auftritte folkloristischer Ereignisse hinausgeht, wird in Syrien als Staatsgefahr wahrgenommen.

 

Normenkette

AufenthG § 60 Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 1-2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger und war zuletzt wohnhaft in Aleppo. Nach seinen Angaben hat er nach der Hauptschule die Schule für Musik besucht und sich seinen Lebensunterhalt als Sänger überwiegend kurdischer, zuweilen auch arabischer Lieder bei Hochzeiten, Festen, in Restaurants etc. verdient. Nach seiner Ausreise aus Syrien am 14.04.2004 ist er auf dem Landweg am 26.04.2004 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 28.04.2004 Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

Zur Begründung legt er dar, er habe im Zusammenhang mit den Ereignissen in Quamishli im März 2004 Probleme mit den Sicherheitsbehörden bekommen. Am 14.03.2004 sei ein Auftrag bei einer Hochzeit geplant gewesen. Beim Ausladen der Musikinstrumente und von Kameras vor dem Veranstaltungslokal sei die gesamte Musikgruppe von einer vorbeikommenden Streife unter dem Vorwurf, Aufnahmen von den Ereignissen in Aleppo zu machen, verhaftet worden. Er sei für einen Monat inhaftiert gewesen und dabei dreimal verhört worden. Schließlich sei festgestellt worden, dass die beschlagnahmten Filme keine verbotenen Aufnahmen enthielten, so dass der Vorwurf, verbotene Aufnahmen zu fertigen, nicht haltbar gewesen sei. Er sei daraufhin freigelassen worden unter den Auflagen, sich bis auf weiteres wöchentlich zu melden und bis auf entsprechende Erlaubniserteilung hin, keine Lieder auf kurdisch mehr zu singen. Er habe eine entsprechende Erklärung unterschreiben müssen. Einen Tag nach seiner Freilassung sei er ausgereist.

Mit Bescheid vom 04.06.2004,, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG ab, forderte diesen auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm für den Fall der Nichtausreise die Abschiebung nach Syrien oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, an. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der Vortrag des Klägers sei von erheblichen Widersprüchen und Steigerungen im Sachvortrag geprägt, so dass die erforderliche Überzeugungsgewissheit von einer Vorverfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung nicht habe gewonnen werden können. So sei insbesondere auffallend, dass die Sicherheitskräfte gerade im Hinblick auf die Unruhen in der kurdischen Region Syriens im März 2004 es unterlassen hätten, die Wohnung des Klägers zu durchsuchen. Hinzu komme, dass der Kläger selbst eingeräumt habe, auf Hochzeiten und Gedenkfeiern oder in Restaurants gesungen und damit seinen Lebensunterhalt und den seiner vierköpfigen Familie bestritten zu haben, was bei der lückenlosen Überwachung der Bevölkerung des öffentlichen Lebens durch die verschiedenen Dienste in Syrien darauf schließen lasse, dass der Kläger sich ausschließlich im sozi-kulturellen Bereich musikalisch betätigt und nicht im Blickfeld eines Sicherheitsdienstes gestanden habe. Bekanntermaßen würden gerade kurdische Feierlichkeiten besonders überwacht und es werde lediglich dann eingeschritten, wenn Aktivitäten diesen Bereich der kulturellen Betätigung überschritten. Aber auch wenn der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt werde, sei nicht von einer ungewöhnlich harten Behandlung des Klägers in seinem Herkunftsland auszugehen. Das durch den Kläger angeblich ausgelöste Verhalten der syrischen Behörden habe die Zumutbarkeitsschwelle, die die asylrechtlich irrelevante Diskriminierung von der politischen Verfolgung trenne, noch nicht überschritten. Kurzzeitige Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Verhöre, Einschüchterungen und Bedrohungen durch staatliche Stellen wegen einer vermuteten Regimegegnerschaft im Zuge von Ermittlungen erreichten in der Regel noch nicht die asylbegründende Eingriffsintensität. Hierbei sei auch von Bedeutung, dass der Kläger nicht von einem weitergehenden Strafverfahren betroffen gewesen sei, es ihm im übrigen auch zugemutet werden könne, zumindest eine Zeit lang, wie dies von den Sicherheitskräften wohl auch angedeutet worden sei, von einer weiteren Betätigung als Sänger, zumindest kurdischer Sprache, abzusehen. Dabei habe der Kläger auch nicht mit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge